Italienische Novellen, Band 2
sprach manchmal bei sich selbst: »Die herbe Pein, die ich jetzt erdulde, ist nicht so groß, daß ich mir nicht eine weit größere sollte gefallen lassen, um all die Schönheit und Anmut zu genießen, die ihr innewohnt. Und wie sollte sie erkennen, daß ich sie vollkommen liebe, wenn ich um ihretwillen nicht diese und viel größere Gefahren und bittere Qualen ertrüge?«
Mit diesen Gedanken, unterstützt von heißer Liebe, entschloß er sich mutvoll, alles zu ertragen. Der Häscherhauptmann hatte indes, wie gesagt, den Ankläger vor das Gericht geführt und Momboiero vorgestellt, der ihn verhörte und mit Folter und allen Martern bedrohte, wenn er nicht die Wahrheit sage, wie es bei der Ermordung des Reitknechts zugegangen sei. Der arme Mann, der nichts anderes wußte, als daß er einen Mann mit bloßem Schwert in der Hand habe in jenes Haus eintreten sehen, wiederholte seine frühere Äußerung. Daher befahl Momboiero dem Häscherhauptmann, nochmals in das Haus zu gehen und überall sorgfältig zu suchen. Er ging hin und pochte heftig an die Tür, so daß fast alles von dem Getöse erwachte. Der erste, der aufstand, war der Kellermeister, der sich die Schlüssel geben ließ und mit Erlaubnis des Hausherrn aufmachen wollte. Unterweilen zog sich der Hausherr an. Der Häscher trat in das Haus und nochmals in das Gemach, wo Cornelio war, der alles gehört hatte und fürchtete, er werde von den Gerichtsdienern gesucht, unter dem Vorwande, sie fahndeten nach einem andern. Der Büttel fand die zwei schlafend (sie waren so müde, daß sie noch nicht erwacht waren), und da er Spieße und Feuerwaffen im Zimmer fand, ließ er sie beide binden, ehe sie nur merkten, daß sie festgenommen waren. Der Schaffner war noch nicht lange aus dem Gefängnis entlassen, worin er lange Zeit gesessen hatte wegen einiger Wunden, die er einem Landmann beigebracht. Der Häschermeister erkannte ihn und sagte auf seine Frage, was das zu bedeuten habe: »Du wirst es bald erfahren und für diesen Fall wie für den letzten büßen.« Während die Häscher die Treppen hinaufstiegen, kam der Schreiber herab und wurde gleich von ihnen gepackt. Als der Hausherr dies hörte, verwunderte er sich nicht wenig über diesen Vorgang; halb angekleidet trat er dem Häscher entgegen, der, als er ihn erblickte, zu ihm sagte: »Monsignor, Ihr seid verhaftet im Namen des Aller christlichsten Königs.«
Dies sagen und ihn packen war eins. Sie ergriffen auch noch vier bis fünf von den andern, die ihnen in die Hände kamen, und machten den größten Lärm von der Welt, so daß man meinte, der Jüngste Tag sei im Hause. Cornelio, der alles hörte, sprach bei sich: »Gott im Himmel, steh mir bei! Was ist das für ein Teufelslärm?«
Der Hausherr wollte seine Leute und sich selbst entschuldigen und sagen, er sei kurz vor Mitternacht mit allen diesen vom Lande angekommen; aber es half ihm nichts; denn alle, neun an der Zahl, wurden sie nach dem Gerichtshof geführt in die Gefängnisse des Gerichtshauptmanns.
Als Madonna Camilla dieses neue Unglück sah, weinte sie bitterlich. Da sie aber wußte, daß ihr Mann mit den Angehörigen ihres Hauses unschuldig an diesem Morde war, dankte sie Gott für diesen Zwischenfall, da sie nun ihren treuen Liebhaber befreien konnte. Sie ließ also die Tür schließen, schickte den Kellermeister mit den Edelknaben und ihren Frauen zu Bette und trat mit ihrer Kammerfrau in das Gemach, wo Cornelio seiner Erlösung entgegenharrte. Als sie unter dem Kamine stand, sagte sie mit getrockneten Tränen und lächelnd zu Cornelio: »Liebe Seele, wie geht es Euch? Was macht Ihr? Jetzt könnt Ihr sicher herabkommen: denn Gott hat, um größeres Ärgernis zu vermeiden, gestattet, daß mein Herr Gemahl mit einem großen Teile seiner Dienerschaft vor das Gericht geführt wurde.«
Die Zofe stellte die Bänke hin wie zuvor und hielt sie mit ihrer Gebieterin fest. Cornelio stieg sachte herunter und wurde von seiner Geliebten freudigst bewillkommt. Sofort gingen sie miteinander die Treppe hinauf; es wurde ein gutes Feuer angezündet, Cornelio wusch sich Hände und Gesicht, die etwas von Ruß geschwärzt waren, und legte sich, als das Frösteln, das er sich im Kamin geholt hatte, beseitigt war, neben seine Frau zu Bette. So erntete er die Frucht seiner heißen Liebe und lachte oftmals mit der Geliebten über das ihnen zugestoßene Mißgeschick. Früh am Morgen ließ die Frau ihren Liebhaber in ein Kämmerchen treten, wo er für alle seine Bedürfnisse
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