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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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verändert habe, und daß er in der Tat noch derselbe sei, wie er sich in Salisbury ausgesprochen hatte. Nichtsdestoweniger kümmerte sie sich nicht um seine Liebe, entfernte sich nicht von ihrem keuschen Vorsatz, und wenn ein Anlaß war, ihm Ehre und Hochachtung zu beweisen, so verbeugte sie sich vor ihm als ihrem König und Herrn, zeigte aber durch ein gewisses Etwas in ihrem Gesicht dem Könige zur Genüge, daß er sich vergeblich bemühe, ihre Liebe zu erwerben und zu genießen. Ja sogar, je mehr sie sich spröde zeigte, desto mehr geriet der König in Flammen und strengte sich an, mit offeneren Erklärungen und Liebeshandlungen ihr deutlich zu machen, was ihr bereits deutlich genug war; so sah die sittsame und anmutige Alix, daß der schlimme Zustand des Königs nur noch schlimmer wurde und sein Leiden stets im Zunehmen begriffen war; um ihm daher nicht Veranlassung zu geben, etwas zu beginnen, was ihr hätte zur Schmach ausschlagen können, da sie auch nicht den entferntesten kleinsten Gedanken hatte, ihm nachzugeben, faßte sie den Entschluß, alle Gründe aus dem Wege zu räumen, die den König verleiten könnten, sie zu lieben. Sie fing daher an, seltener auszugehen, sie ließ sich auch seltener am Fenster blicken, und wenn es unvermeidlich war, einen Ausgang zu machen, so kleidete sie sich in einfache Kleider und mied alle Straßen und Orte, wo sie dem König begegnen zu können glaubte. In kurzem merkte er dies, und da er von übergroßem Liebesschmerz fast umkam, war er nahe daran, Gewalt zu gebrauchen. Weil aber, wer wahrhaft verliebt ist, niemals verzweifelt, vielmehr aufs eifrigste immer, wie ein Spürhund der Fährte des Wildes nachforscht, die seiner Geliebten und so lange verfolgt, bis er eine Spur von ihr findet, ließ er auch nicht nach und suchte so lange, daß Alix selten ausging, ohne daß er wußte, wann und wohin sie ging; da lief er ihr dann drei-, viermal in den Weg und weidete wenigstens seine Augen an ihrem holden, liebenswürdigen Anblick. Wie gesagt, legte sie grobe Gewänder an und sah so ohne ihre gewöhnlichen Kleider mehr einer Nonne ähnlich als einer weltlichen Frau. Aber die Wunde war in den Busen des Königs so tief geschlagen, daß die Frau durch all ihr Nachlassen dem König nicht viel half; denn wie unser lieblicher Petrarca ganz richtig sagt: die Wunde nimmt nicht ab durch das Nachlassen des Bogens. Dann war Alix' natürliche Schönheit so groß, daß, wenn sie auch in das rauheste und gemeinste Tuch von der Welt gekleidet gewesen wäre, man doch immer gesehen hätte, daß sie sehr schön war.
    Da nun der König sah, daß er es nicht dahin bringen konnte, daß sie mit seiner Liebe Erbarmen hatte, ließ er mehrmals seinen vertrauten Kammerdiener mit ihr sprechen, verhieß ihr alles, was ihr Mund begehren könne, und ließ diejenigen Liebesworte in Anwendung bringen, die man bei ähnlichen Gesandtschaften zu sprechen pflegt. Sie aber, die in ihrem keuschen Vorhaben sich ernstlich festgesetzt hatte, gab dem Kammerdiener dasselbe zur Antwort, was sie dem König in Salisbury schon selbst gesagt hatte. Der Kammerdiener mochte sagen, soviel er wollte, und alle Beredsamkeit und Redekunst aufbieten, wie sie nur einem Demosthenes und Cicero eigen war, – er konnte keine freundliche Antwort aus ihr herausbekommen. Und da der König die Härte merkte, die ihm doch allzu roh deuchte, unterließ er doch nicht, ungeachtet er unendlichen Schmerz darüber verspürte, noch drei- oder viermal die Festigkeit der Frau auf die Probe zu stellen; aber alle Mühe war hinausgeworfen: denn sie hatte bei sich beschlossen, eher zu sterben, als ihre Ehre zu verlieren.
    Da nun der König sah, daß, was er auch unternahm, ihm nicht vorwärtshalf, daß es vielmehr von Tag zu Tag schlimmer mit seiner Sache stand, kam er auf den Argwohn, ihr Vater möchte die Veranlassung ihrer Härte sein; denn er konnte nicht glauben, daß je in dem Herzen einer jungen Frau eine solche und so heftige Starrheit wohnen könne, wenn sie nicht von einer Person, die Einfluß auf sie übe, beständig genährt und erhalten werde. Diese Annahme verursachte dem König unendliche Schwermut und das äußerste Mißvergnügen; denn eine große Gerechtigkeit ist dem Liebenden eine schwere Beleidigung. Nach verschiedenen Gedanken und Überlegungen, die er bei sich selbst anstellte, da er sich vornahm, die Gewalt bis auf das letzte aufzusparen, kam er auf den Einfall, geblendet von der Fleischeslust, wie er war, mit ihrem Vater offen zu

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