Italienische Novellen, Band 2
sprechen und mit Verheißungen, Schmeicheleien und Vermehrung der Einkünfte in Wort und Tat nicht nachzulassen, bis er mittels desselben in den Besitz der Tochter gekommen wäre. Siehe da, zu welcher Verblendung, zu welchem ungeheuren Irrsal die sinnliche, ungeordnete Liebe den von ihr befangenen Menschen bringt, daß sie ihn glauben macht, es sei ein leichtes, einen Vater zu überreden, daß er seine eigene Tochter zur Ware herabwürdige und, als wäre sie ein Reitpferd, mietweise ausleihe. Man sieht deutlich, daß solche Leute durchaus den Gebrauch der Vernunft verloren haben. Denn wenn sich auch manchmal Väter und noch viel öfter Mütter finden, die so wenig taugen und so verrucht sind, daß sie ihre eigenen Töchter ums Geld verkaufen wie die Metzger das Fleisch auf der Schlachtbank, so müssen wir darum doch von selbst erröten, sooft wir daran denken, sie dahin bringen zu wollen, ein so schimpfliches Verbrechen zu begehen, geschweige wenn wir schamlos von solchen Dingen mit ihnen reden.
Wohl war der König Eduard völlig von blinder Begier umnebelt und außer sich, da er im Sinne hatte, von seiner Angelegenheit mit dem Grafen Richard zu sprechen. Nachdem er nun diese Überlegung angestellt und reiflich bedacht und überdacht hatte, was er sagen wolle, teilte er alles seinem vertrauten Kammerdiener mit und bat ihn auch darüber um seinen Rat. Der Kammerdiener, ein kluger Jüngling mit offenem Kopfe, hielt es für allzu unverständig, bei einer solchen Veranlassung die Dienstleistung des Vaters in Anspruch nehmen zu wollen, um die Tochter zu verführen, und sagte, es wäre übel getan, wenn er sich dem Grafen Richard bei dieser Angelegenheit entdeckte; er müsse sich im Gegenteil vor diesem mehr in acht nehmen als vor sonst jemand. Dabei führte er viele Gründe an, die ihn zu diesem Ausspruche bewogen, und bekundete die feste Überzeugung, daß der Vater nie zu einer solchen Verruchtheit seine Zustimmung geben würde. Und möge auch daraus entspringen, was wolle, versicherte der Kammerdiener, es scheine ihm ein gar zu unanständiges Verfahren, wenn er den Grafen zu einer solchen Angelegenheit in Anspruch nehme, die eines Tages eine gefährliche Verirrung zur Folge haben könne; allein er predigte tauben Ohren. Der König war nun einmal auf diesen Gedanken verfallen, er schien ihm zweckmäßig, und so wollte er ihn auf jede Weise ins Werk gesetzt wissen.
Der Graf Richard war ein sehr wackerer Mann und in der Kriegskunst sehr berühmt; auch hatte sich seine Biederkeit und Mannhaftigkeit kurz zuvor in den in der Guienne geführten Kriegen klar ans Licht gestellt und den Vorteil der Engländer gefördert. Von Kindheit auf war er mit dem Vater des Königs aufgezogen worden, stand am Hofe lange Zeit in großer Achtung und war oft zur Ausführung ehrenvoller Unternehmungen berufen worden, aus welchen er stets mit großem Ruhm hervorging, weshalb er denn allgemein auf der ganzen Insel geliebt und geehrt wurde. Als nun der König entschlossen war, mit ihm zu sprechen, ihm seine Angelegenheiten zu erzählen und ihn um Hilfe zu bitten, ließ er ihn rufen mit der Bemerkung, er habe ihm etwas im Vertrauen mitzuteilen. Als der Graf die Botschaft vernommen hatte, kam er schnell zum König, der ihn ganz allein in einem geheimen Gemache erwartete. Als er dort angelangt und als nach der Anweisung des Königs die Tür geschlossen war, machte er ihm zuerst die schuldige Verbeugung und wartete, was der König ihm befehlen würde. Dieser saß auf einem Feldbette und lud den Grafen ein, gleichfalls neben ihm darauf Platz zu nehmen. Er wollte zwar aus Ehrfurcht nicht darein willigen; endlich aber, als der König nicht nachließ, folgte er seinem Befehl und setzte sich nieder. Der König wartete eine Weile, ohne ein Wort zu sprechen; dann nach vielen Seufzern, die er in Menge ausstieß, mit tränenschweren Augen, begann er also zu sprechen: »Ich habe Euch hierherkommen lassen, mein Graf, aus Veranlassung eines sehr drängenden Bedürfnisses, das mir nicht minder am Herzen liegt als mein eigenes Leben, und ich weiß nicht, ob je in einem Glücksfall, der mir begegnet ist, und doch sind mir viele und sehr gefährliche zugestoßen, ich mich in solcher Widerwärtigkeit und in so verdrießlichem Leidwesen befunden habe wie das, in dem ich jetzt bin; denn ich fühle mich von meinen Leidenschaften so befehdet und überwunden, daß, wenn nicht irgendeine Erleichterung in kurzem dafür erfolgt, sie mich gewiß zum verzweifeltsten Tode
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