Italienische Novellen, Band 3
Mann schien, ließ er ihm in dem Zimmer, das er hatte, in einer ganz sichern Kiste alles, was er von Wert besaß. Ohne sich lange bei Misser Zanobi aufzuhalten, kehrte er um, ließ sich an das Haus der ersehnten Flamänderin führen, trat ein und speiste mit Giachena zu Nacht, wie es der allgemeinen Behauptung zufolge venezianischer Brauch sein soll. Indem er sodann die Nacht bei ihr lag, gefiel die Flamänderin dem Jüngling immer mehr und andererseits der Jüngling ihr; so daß durch Fügung des Geschicks sie sich unmäßig ineinander verliebten. Ja, sie brachten es dahin, daß sie beide keine Stunde eines ohne das andere sein konnten. So hingen sie beide an der Leimrute. Antonio ging dieser Liebschaft nach; viele Tage genoß er mit Unterhaltungen der Liebe die süßen ersehnten Früchte der Minne.
Der arme, unvorsichtige Antonio war durch die Reize und die große Zartheit der Flamänderin (eine Seltenheit bei diesem Volk!) und durch den freundlichen und heitern Empfang, den sie ihm immer zuteil werden ließ, so an sie gebannt, daß er gar nicht mehr an Siena und an seine Gattin dachte und seine ganze Hoffnung auf seine teure Flamänderin setzte. Als törichter, blinder Verliebter lebte er so festgeklebt in diesem Netze und war unaufhörlich um Giachena. In dieser närrischen Liebe war schon der zweite Monat ganz hingegangen; er hatte alle seine Zeit mit der Flamänderin zugebracht. Da sie nun sehr scherzhaft war, lehrte sie ihn manchmal einige Worte in ihrer Sprache, so unter anderem, wie ein Mann zu einer Frau sagt, wenn er sie um eine gewisse Sache angeht, und wie sie dann antwortet, wenn sie will. So sagte sie denn, sooft sie sich miteinander erlustigen wollten: » Ansi visminere ?«
Antonio hatte es schon gelernt, und wenn er Lust hatte, es zu tun, antwortete er: »Io.«
Wollte er aber nicht, aus Mattigkeit oder aus sonst einem Grunde, so sagte er: »Mitti sminere.«
Ebenso, wenn Antonio in das Haus der Flamänderin kam, sagte er immer statt des Grußes: »Ansi visminere?«. Dabei nahm er sie unter dem Kinn und küßte sie auf den Mund, und sie, voll Bereitwilligkeit, ihm Vergnügen zu verschaffen, sagte: »Io.«
So daß der arme Jüngling durch allzu vieles Kämpfen halb ohnmächtig wurde und sich nicht mehr auf den Füßen halten konnte; und wären nicht die guten und kräftigen Mahlzeiten gewesen, welche die Flamänderin ihm immer bereitete, so wäre er durch die übergroße Liebe, die er für sie hegte, ganz abgezehrt. Der arme Schelm nahm aber auf sich selbst gar keine Rücksicht. Er hatte, wie gesagt, seine eigene Heimat und sein Weib vergessen und wußte nicht mehr, daß sein Eigentum noch anderswo sei. Es war ihm, als sei er hier geboren, als liegen hier alle seine Güter.
Während er so lange die gebührliche Zeit zur Rückkehr versäumte, erhielt er Briefe über Briefe von seiner Frau, von den Brüdern und Freunden und verschiedenen andern Personen, die man antrieb, ihm zu schreiben, und die sich aus Mitleid um eine so schöne junge Verlassene dazu bewegen ließen. Antonio mochte aber an gar nichts denken und antwortete niemand, und wenn er von Siena reden hörte, war es dem Jüngling, als stieße man ihm den Dolch ins Herz.
Endlich aber, nach vielem Zuspruch durch Briefe und Botschaften, ging ihm eines Tages sein Unrecht zu Herzen. Er entschloß sich nun doch zur Abreise und zur Rückkehr in seine schon vergessene Vaterstadt. In wenigen Tagen kaufte er Waren zusammen von der geringen Summe, die ihm noch übriggeblieben war, nahm das wenige, was er erreichen konnte, mit einigen Kisten Gläser, packte alles zusammen und schiffte es ein mit der Adresse nach Pesaro. Er setzte sich mit der Flamänderin auseinander, führte die wahrsten und triftigsten Gründe zu seiner Entschuldigung an, verabschiedete sich, und unter beiderseitigen heißen Tränen, festen Umarmungen, Versprechungen und Schwüren baldiger Rückkehr schied er von ihr. Diese Trennung wurde beiden sehr schwer. Doch da er durchaus entschlossen war zu gehen, ertrug er es leichter als sie. So trat er in die Gondel und fuhr hinüber, seiner alten Heimat zu.
In wenigen Tagen kam er an und wurde von seiner Frau mit großer Freude empfangen; denn seine Rückkehr gab um so mehr zum Jubel Anlaß, je länger er von ihr entfernt gewesen war. Nach wenigen Tagen kamen die Waren an, eine hübsche Ausstellung von Gläsern, etwas Gewürz und einige Spezereien; er machte sich an die Arbeit und besorgte seine Bude.
Er war schon wieder geraume Zeit
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