Italienische Novellen, Band 3
in Siena, aber er konnte die geliebte Flamänderin nicht vergessen; und obgleich seine Frau von der schätzenswürdigsten Schönheit war, konnte der Tor doch nicht umhin, an seine Flamänderin zurückzudenken. Er tat oft mit der Frau, was er mit der Flamänderin getan hatte, um die Sehnsucht zu zerstreuen, die er nach dieser hatte. Es war ihm, als weile er bei ihr, wenn er mit seiner Frau scherzte, wenn er sie in den Arm nahm, sie unter dem Kinn faßte und sagte: » Ansi visminere? «
Dabei küßte er sie auf den Mund, faßte ihre festen, alabasterähnlichen Brüste und genoß wollüstiges Vergnügen. Das junge Weib wußte nicht, was das heißen solle; da sie es ihn aber öfters wiederholen hörte, sagte sie schalkhaft zu ihrem Gatten: »Was heißt denn sminere ?« Dem unvorsichtigen Manne fiel es schwer aufs Herz, er stieß einen tiefen Seufzer aus über diese Frage, denn er erinnerte sich seiner Giachena, und sagte zu ihr: »Es heißt: ›Willst du essen?‹«
Die einfältige Frau lachte und sagte: »Ich meinte, es heiße irgend etwas Böses, obgleich ich dich es schon öfters sagen hörte.«
Bei diesen Worten kam es Antonio in den Sinn, sich anstatt der Flamänderin mit ihr ein wollüstiges Vergnügen zu verschaffen und sich dabei vorzustellen, es sei jene. Sie schäkerten und genossen sich mit größter Lust. Die Frau glaubte, er habe ihr die Wahrheit gesagt, da sie ihren Mann wirklich die Worte oft äußern hörte, wenn sie beim Frühstück, Abendessen oder im Bette waren. Daher gewöhnte sie sich die Redensart ebenfalls an und sagte manchmal scherzend zu ihrem Mann: » Ansi insminere? «
Antonio sagte darauf immer im Gedächtnis an frühere Zeiten: » Io. «
Dabei gab er ihr, sooft er es aussprach, auf den holden süßen Mund einen Kuß. Der Frau gefiel dieses Spiel, und so ging kein Tag vorüber, daß sie nicht ihrem Mann die alte Wunde neu aufriß, ohne ihren Fehler zu wissen.
So ging eine geraume Zeit hin mit solchen Unterhaltungen. Eines Tages im höchsten Sommer saß die schöne Frau des unvorsichtigen Gewürzhändlers bei offener Türe im Hausflur und nähte. Bekanntlich gehen in jener Zeit, weil die Tage lang sind, viele Leute auf der Straße; auch eine große Zahl Fremder kam des Weges, teils weil es gutes Wetter, teils weil das heilige Jubeljahr war. Das reizende Weibchen saß nun ganz behaglich da, um die unmäßige Hitze besser zu tragen, leicht in ein weißes, kurzes Unterröckchen gekleidet; sie sah aus wie ein wahrer Engel, mitten im Paradies geboren; ihre Füße waren mit weißseidenen genähten Strümpfen bekleidet, wie sie ihr Gatte von Venedig mitgebracht hatte, welche festanliegend und durchbrochen waren; man sah sodann ihren wunderschönen, äußerst niedlichen Fuß, der so vollkommen war, wie ihn nur irgendeine Frau haben konnte, nebst einem Paar aufgeschlitzten Schuhen aus schwarzem Samt; auf dem Kopf hatte sie ein gar schmuckes Häubchen, ganz aus Gold und Seide gearbeitet; um den Hals hing ihr ein Bändchen von feinster Seide, ganz gestickt. So saß das Engelchen neben der Haustür auf einem nicht sehr hohen Stuhl und nähte, und da sie den Kopf niederbeugte, zeigte sie den schönsten, reinsten Busen, den man je zu ihrer Zeit an einer Frau sehen konnte, ein Paar Brüste, nicht sehr groß, aber weiß wie blendender frischer Schnee und fest wie Marmor, so daß sie in der Tat aus Perlen und Rubinen gefertigt schienen. Während die schöne, junge Frau so dasaß, kamen ein paar reisende Flamänder vorüber auf dem Wege zum heiligen Peter zu Rom, wohin sie um Ablaß wallfahrteten. Unter diesen Pilgern war zufällig auch ein Adliger, der die Reise infolge eines Gelübdes machte und in der Blüte der Jugend stand, denn er war noch nicht fünfundzwanzig Jahre vorüber und schien auch nicht jünger als vierundzwanzig zu sein. Als der Jüngling die Pilgerfahrt antrat, steckte er seine Börse zu sich und lebte immer von eigenen Mitteln. Während er nun mit seiner Gesellschaft vorüberkam, fiel sein Blick in die Haustür und auf die schöne holdselige Frau, welche, wie gesagt, hier nähte. Als der junge Pilger das schöne Kind sah, meinte er, sie stamme vom himmlischen Paradiese: denn eine solche Schönheit kam ihm nicht als etwas Menschliches vor. Um sie besser zu betrachten, hielt er stille und sprach sie um etwas an, was er auf der ganzen Reise von niemand begehrt hatte. Getrieben von dem Feuer seiner Jahre betrachtete er sie mit glühendem Blick, bat sie um Gottes Barmherzigkeit willen um
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