Italienische Novellen, Band 3
mit einem Teil des blendenden schneeweißen Beines aufdeckte, als ob sie über einem beengenden Gedanken sich Luft machen wollte; diese Gebärden begleitete sie hin und wieder mit einem Seufzer und griff die Sache so keck und listig an, daß der Jüngling endlich schüchtern sagte: »Ach, Madonna, habt Erbarmen mit meiner Jugend! So hier in Zange und Folter leben, zersprengt mir das Herz.«
Bei diesen Worten warfen die glühenden Liebesflammen, die in der Brust von feinstem Alabaster verschlossen waren, einen Feuerfunken in ihr Gesicht, das sich ganz entzündete und wie eine glühende Sonne brannte. Sie nahm ihn bei der Hand, die so heiß war, daß sie einen Diamant zum Schmelzen gebracht hätte, und nach manchen Gesprächen und einem enggeschlossenen Bunde, ach, pflückte er die Frucht jener Lust, deren Verlangen jeden Liebenden verzehrt.
Nachdem sie viele, viele Tage mit großer Wonne ihr Liebesglück genossen, begegnete ihnen ein unerwarteter Unfall. Ein Baron nämlich, der mit ihrem Gatten im vertraulichsten Verhältnisse stand und fast einem Bruder gleich gehalten wurde, pflegte, da ihm die Tür des Palastes nicht verschlossen war, er vielmehr mit Achtung und Ehre empfangen wurde, der Edelfrau oft seine Höflichkeit und Verehrung zu bezeugen. So kam er eines Morgens, da es schon spät war, ohne bis zu dem Zimmer selbst auf ein Hindernis zu stoßen, fand unglücklicherweise die Tür offen und meinte wie sonst eintreten zu können, ohne zu stören. Die junge Frau und der wunderschöne Edelknabe waren aber nach den anmutigsten Unterhaltungen in einen tiefen, wohltuenden Schlaf gesunken, wie das meist in ähnlichen Fällen zu begegnen pflegt. Da der Baron die Frau nicht sah, hob er mit unerhörter Keckheit einen Zipfel des Bettvorhanges auf, erkannte das Verbrechen der Frau und die Vermessenheit des Jünglings und konnte sich in der Überraschung und bei seiner Neigung zu ihrem Gatten nicht enthalten, auszurufen: »Ha, verbrecherisches Weib, benimmt sich so eine treue Gattin? Ha, zügellose Jugend, was sehe ich hier?«
In diesem Tone fuhr er noch lange fort. Bei dem Schreien erwachten die beiden Liebenden, und in starrem Staunen über den unerwarteten Vorfall wußten sie sich nicht anders zu helfen, als demütig unter heißen Tränen und dringenden Bitten um Gottes Barmherzigkeit willen um Gnade zu flehen, was sie denn auch unter so viel Schluchzen taten, daß jedes harte Herz erweicht werden mußte. Der Baron, der nicht von Stahl und Eisen war, fühlte von einem einzigen Drucke des Bogens sich zwiefach verwundet, von Mitleid und Erbarmen und dann von Liebe und Wollust, und nach mancherlei Hinundwiderreden beruhigte er sich unter der Bedingung, daß er einmal einen Teil der Güter genießen dürfe, in deren glücklichem Besitz der Edelknabe sich befinde. Damit war die Frau zufrieden, der Baron beruhigt, der Edelknabe heiter, und sie genossen diese Wonne, die jedes andere menschliche Vergnügen übersteigt, von einem Tag zum andern.
Das Schicksal aber ist den Zufriedenen feindlich gesinnt und weiß die Glückseligkeit nicht lange auf derselben Stufe zu erhalten; so genügte es ihm auch nicht an dem ersten und zweiten Unrecht, die beide schon häßlich waren; es fügte vielmehr noch ein drittes, über die Maßen garstiges dazu. Ein Mönch nämlich, der Kaplan der Dame, ein gesunder, rüstiger Mann, war gewohnt, in das Vorzimmer zu kommen, um seine Geheimnisse in Ordnung zu bringen, fand aber den gewohnten Weg verschlossen. Da es ihm nun zu spät wurde, sein Amt zu versehen, gelangte er mit gewohnter Anmaßung durch eine geheime Treppe in das Vorzimmer, lauschte mehrmals an der Tür und fand, da er immer wieder hinzutrat, daß sie offen, aber eng angelehnt war. Er öffnete sie daher ganz sacht ein wenig mit der Hand und merkte, daß der vertraute Baron in großen Ehren bei der Frau lag und alle seine Wünsche in Wonne befriedigte. Da ihm hierbei der Wunsch rege wurde, denselben Weg zu gehen, dachte er hin und her, wie er es angreifen solle, um zu diesem Ziele zu gelangen. Als der Baron demnach aus dem Bett gestiegen war und das Zimmer verlassen hatte, trat der Mönch unverzüglich an das Bett der Dame und sprach zu ihr: »Es sind schon mehrere Jahre her, meine gnädige Frau, daß ich dem ehrenwerten Baron, Euerm Gemahl, diene; der Dienst aber, den ich ihm geleistet, geschah aus keinem andern Grund als wegen der Schönheit, die in diesem engelhaften Angesicht und in den glänzenden und blitzenden Lichtern Eurer
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