Italienische Novellen, Band 3
die Erlaubnis zu seiner Reise zu erbitten und sich bei ihm zu verabschieden. Der fromme Abt, durch Alter, Verstand und Erfahrung ergraut, machte aber einen großen Aufstand, indem er zu ihm sagte, das sei eine Versuchung des Teufels, und unter der Hülle einer anständigen Sache des frommen Erbarmens seien die Listen und Tücke unseres alten bösen Feindes verstellt; auf solche Weise seien viele kluge, rechtschaffene Menschen und gar manche Mönche hintergangen worden. Er suchte ihm dies durch viele Geschichten und Beispiele zu veranschaulichen und gab sich eine vergebliche Mühe, ihn von dem beharrlich festgehaltenen Gedanken abzuziehen; denn weder diese noch ähnliche abredende Worte, die vielleicht der Heilige Geist selbst dem braven Manne auf die Zunge legte, erschütterten Malco. Da nun der Abt am Ende sah, daß Vernunftgründe und Vorstellungen nichts über den Jüngling vermochten, warf er sich vor ihm nieder und beschwor ihn, seine Kniee fest umklammernd, bei dem einzigen Gott, ihn und das Kloster nicht zu verlassen, das ihn so liebreich aufgenommen und so sorgsam erzogen habe, und nicht Leib und Seele der Gefahr eines fast sicheren Verderbens auszusetzen; denn der Weg von Boria nach Edessa, den er fast notwendig einschlagen müsse, sei noch unlängst durch einige Scharen von Sarazenen unsicher gemacht worden, die durch ihre beständigen Räubereien jene Gegenden verwüstet haben. Er führte ihm auch das heilige Wort des Evangeliums an: »Wer seine Hand an den Pflug leget und siehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes.« Er bedeutete ihm, wie sein Tun am Ende weiter nichts sei, als daß er sich dem Hunde gleichstelle, der immer zurückkehrt, um seinen eigenen Auswurf zu besehen, oder auch dem verirrten, verlassenen Schafe, das freiwillig in den Rachen des Wolfes läuft.
Trotz alledem beharrte Malco in seinem übel beratenen Entschlüsse fester und heftiger als je und wollte fort, wiewohl der fromme Abt ihn vor das Kloster hinaus begleitete, wie die menschliche Gerechtigkeit den zum Tode Verurteilten zu tun pflegt, und ihn noch immer durch diese und jene Vorstellungen zurückzuhalten versuchte. Der Mönch ging also fort und schloß sich aus Furcht vor den Räubern vielen andern an, die denselben Weg machen wollten, um sich gegenseitig Schutz zu gewähren, wenn sie zu ihrem Unheil von der drohenden Gefahr überfallen würden. Die Karawane bestand aus etwa siebzig Männern und Frauen jedes Standes und Alters, hatte aber kaum eine Tagereise zurückgelegt, als wirklich eine Schar solcher Ismaeliten, die in großer Zahl im Hinterhalt lag, sie plötzlich und unerwartet überfiel und unter wildem Todesgeschrei und mit gezückten Schwertern überfiel und zerstreute; umsonst suchten sie sich da- und dorthin durch die Flucht zu retten, doch entging keines der Gefangenschaft. Man versammelte sich zur Teilung der Beute; Malco und ein junges Weib fielen durchs Los einem und demselben Herrn zu, der beide auf Kamele steigen ließ und nach einem langen und beschwerlichen Wege über einen großen Fluß hinüber mit Anstrengung und Unbequemlichkeit in eine tiefe Einöde führte, wo dem Mönche die Obhut einer Herde anvertraut wurde. Er mußte darum fern von aller menschlichen Gemeinschaft allein und auf dem Lande leben und war vollkommen zufrieden, da er auf diese Weise die Bestimmung des Mönchslebens besser als im Kloster zu erfüllen glaubte, da ja Mönch eigentlich dem Wortlaute nach ein Einsiedler sein müsse. Er erwog überdies in seinen Gedanken, daß die heiligen Patriarchen des Alten Testaments, wie er oftmals in seinem Kloster erzählen gehört und selbst gelesen hatte, an ein solches Leben lange Zeit gewöhnt gewesen waren. Er dachte gerne daran, und in Rücksicht auf seine vorher ausgestandenen Gefahren söhnte er sich mit seinem dermaligen Zustande aus. Ganz getröstet und beruhigten Gemütes dankte er Gott, indem er die Psalmen, die er auswendig wußte, zu seiner Erbauung absang.
Während er dieses ruhige Leben führte, war aber das Schicksal gleichsam noch nicht befriedigt mit der über ihn ergangenen Trübsal und bereitete ihm neue zu. Einsam und in der Verborgenheit floß ihm sein stilles Leben hin, fast kein Mensch auf der weiten Welt kümmerte sich um ihn, und dennoch konnte er sich den Blicken dieser Feindin der menschlichen Glückseligkeit nicht entziehen. Denn da sein Herr den treuen, redlichen Dienst sah, den ihm dieser sein Sklave widmete, als er wahrnahm, wie seine Herde und der Gewinn,
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