Italienische Novellen, Band 3
zugeritten und erwartete sie an der Ecke der Allerheiligenstraße; dann ritt er ihnen entgegen, tat, als schließe er den Mietvertrag mit dem Wärter ab, und empfahl ihm Meister Manente auf das dringendste. Er ließ ihn ins Haus treten, nachdem er die Tür durch einen Schlosser hatte öffnen lassen.
Nach einer kleinen Weile trat der Wärter an das Fenster und rief heraus, der Arzt habe eine Pestbeule am Halse so groß wie ein Pfirsich, er könne sich nicht vom Bette erheben und biege halbtot da; er werde ihm jedoch alle mögliche Hilfe leisten. Lorenzo beauftragte den Goldschmied, für ihn und den Kranken Speise herbeizuschaffen, ließ das Pestzeichen an das Haus befestigen und ritt seines Wegs, indem er in Worten und Gebärden nun reges Mitleid mit dem Arzte an den Tag legte. Der Krankenwärter ging zum Monaco hinein, der vor Lust und Lachen fast bersten wollte. Der Goldschmied brachte Essen in Menge, im Hause selbst fanden sie Pökelfleisch und zapften ein Fäßchen trefflichen Wein an und hielten so für den Abend einen wahrhaft päpstlichen Schmaus. Unterdessen hatte Meister Manente die Nacht und den folgenden Tag ununterbrochen geschlafen und wußte, als er sich bei seinem Erwachen im Bett und im Dunkeln wiederfand, sich nicht zu besinnen, wo er sei, zu Hause oder anderswo. Bei sich selbst darüber nachdenkend, erinnerte er sich endlich, wie er in den »Affen« zuletzt mit Burchiello, mit dem Succia und mit dem Makler Biondo getrunken hatte, darauf eingeschlafen und nach seinem Dafürhalten nach Hause gebracht worden war. Er sprang aus dem Bette, tastete vorsichtig nach einem Fenster rings umher, fand aber keines, wo er glaubte, es müsse eines sein; so tappte er denn fort, bis er die Tür eines Abtritts fand. Dort entleerte er die Flüssigkeit, wozu es ihn sehr drängte, und verrichtete seine Notdurft, drehte sich dann wieder in dem Gemache umher und kehrte endlich voll Angst und Erstaunen in das Bett zurück, denn er wußte gar nicht mehr, ob er in dieser oder in der andern Welt lebte. Er durchlief in seinem Gedächtnisse alles, was ihm begegnet war, von neuem; da ihm aber allmählich der Hunger zu kommen anfing, fühlte er sich mehrmals versucht zu rufen. Doch hielt ihn die Angst zurück, er schwieg und wartete ruhig zu, was aus ihm werden sollte.
Lorenzo hatte unterdessen bereits die Anordnung zu weiterer Durchführung seines Planes getroffen; er steckte heimlich die beiden Diener in weiße Mönchskutten, die bis auf den Boden reichten, und setzte ihnen einen großen Kopf auf nach Art derer in der Knechtegasse, die aussehen als lachten sie: solche setzte er ihnen aufs Haupt oder eigentlich auf die Schultern auf; die Köpfe wie die Mönchskutten nahm er aus der Kleiderkammer, worin unzählige andere der verschiedensten Gattung sich befanden, und ebenso Masken, die zum Fasching gedient hatten; einer hatte ein bloßes Schwert in der rechten Hand und in der linken eine große weiße brennende Kerze; der andere trug zwei Flaschen guten Wein bei sich und in ein Tuch gewickelt zwei Paare Brot und zwei dicke kalte Kapaunen, ein Stück Kalbsbraten und Obst nach Maßgabe der Jahreszeit. So mußten sie leise in das Zimmer treten, in dem der Arzt eingeschlossen lag. Da nun die Kammer von außen verschlossen wurde, schoben sie mit großem Ungestüm den Riegel weg, rissen die Tür auf, traten ein und verschlossen plötzlich den Eingang hinter sich. Der mit dem Schwerte und der Fackel stellte sich hart an die Tür, damit der Arzt nicht etwa hinlaufe und sie öffne.
Als Meister Manente die Tür berühren und den Riegel wegschieben hörte, schauderte er zusammen und setzte sich im Bette auf; als er aber die seltsam gekleideten Gestalten eintreten und in der Hand des einen ein Schwert blitzen sah, wurde er von solchem Staunen und Entsetzen übermannt, daß ihm der Schrei, den er ausstoßen wollte, in seinem Munde erstarb und er in Todesangst wie festgewurzelt erwartete, was mit ihm geschehen solle. Gleich darauf aber sah er, daß der andere, der die Eßwaren trug, das Tuch auf einem dem Bette gegenüberliegenden Tische ausbreitete und sodann Brot, Fleisch, Wein, Flaschen und die übrigen Leckerbissen darauf stellte und ihm mit einem Winke bedeutete, zuzugreifen. Der Arzt, der den Hunger leibhaftig vor sich gesehen, stand nunmehr stracks auf und fuhr im Hemd und ohne Unterkleider, wie er war, auf die Lebensmittel los; jener aber zeigte ihm auf einen Schlafrock und ein Paar Pantoffeln, die auf einem Ruhebette lagen, und
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