Italienische Novellen, Band 3
Augenblick: »Requiescat in pace!«
So fingen denn alle umher an, sich zu bekreuzen, beiseite zu treten und grimmige Gesichter zu schneiden, denn schon hatte sich ein starkes Gedränge von Volk versammelt. Als nun der Arzt sah, daß Brigida ihm nicht mehr zuhörte, sondern in Gemeinschaft mit der Betschwester fortwährend sich bekreuzte und sinnloses Zeug schwatzte, beschloß er wegzugehen, da der Auflauf wuchs und er fürchten mußte, sich sonst noch einen schlimmen Handel zuzuziehen. Er schlug also ohne weiteres mit starken Schritten die Straße nach Santa Maria Novella ein; die ihm entgegenstehende Masse stob unter mächtigem Kreuzschlagen und Geschrei auseinander, nicht anders, als wenn sie wirklich einen Toten hätten wieder auferstehen sehen. Meister Manente wandte sich daher dahin, wo jetzt die Lastträger stehen; von dort ging er weiter durch die Mohrengasse und eilte dann halbumschauend durch die Gäßchen dort, da es schon etwas dunkel war, fast laufend; bald erreichte er so den Dreifaltigkeitsplatz; von dort ging er durch Portarossa nach den »Affen«, immer umschauend, ob die Volksmenge ihn erreiche, und sehr mißgestimmt; nun blieb ihm kein ander Mittel, als am nächsten Morgen hinzugehen und seine Zuflucht zum päpstlichen Vikar zu nehmen. Da er jedoch vorher noch den Versuch machen wollte, ob ihn auch Burchiello, sein vertrautester Freund, und Biondo nicht wiedererkennen würden, so sagte er zu Amadore, indem er ihm Geld in die Hand drückte, daß er, wenn es irgend sein könne, gern noch denselben Abend dem Burchiello und dem Makler Biondo in seiner Gesellschaft ein Nachtessen geben möchte.
»Ei, das wird schon angehen«, erwiderte der Wirt; »laßt mich nur machen!«
Er traf in der Küche die nötigen Anordnungen, nahm seinen Mantel um und ging nach San Giovanni, wo er den Biondo fand, den er gleich mit sich nahm, indem er ihm sagte, daß er diesen Abend in Gesellschaft eines Fremden und des Burchiello bei ihm speisen solle. Den Burchiello trafen sie im Hause und Laden zum Garbo, und es bedurfte bei ihm nicht vieler Worte, um ihn zu gewinnen; denn sowie er hörte, daß es freie Zeche gebe, wandelte ihn alsbald noch größere Lust an als die beiden selbst. Sie trafen demnach um ein Uhr nach Sonnenuntergang alle in den »Affen« zusammen; es mochte damals im Oktober sein, nahe um Allerheiligen. Gleich beim ersten Anblick und zumal, als er ihn reden hörte, meinte Burchiello Meister Manente zu erkennen. Dieser empfing den Burchiello mit der größten Höflichkeit; er sagte ihm, wie er, von seinem Rufe für ihn eingenommen, keinen andern Weg gefunden habe, ihn kennenzulernen, als daß er den Wirt gebeten habe, ihn zum Nachtessen einzuladen und auch den lustigen Zecher Biondo, seinen guten Freund, zur Gesellschaft zu ziehen. Burchiello sagte ihm großen Dank, und sie setzten sich in einem besonders für sie zugerichteten Nebenzimmer zu Tisch, wo sie in Erwartung einiger fetten Tauben und Krammetsvögel, wie sie die Jahreszeit bot, verschiedene Gespräche begannen, in welchen Meister Manente sie mit einem Märchen über sein Leben und den Grund seines Hierherkommens bewirtete.
Burchiello hatte bereits dem Biondo gesagt, daß ihm eine solche Ähnlichkeit zwischen zwei Menschen noch nie vorgekommen sei wie seine und Meister Manentes. »Wenn ich nicht ganz gewiß wüßte«, fügte er hinzu, »daß er gestorben ist, so würde ich sagen, es könne kein anderer sein als er.«
Der Biondo pflichtete ihm in allem bei.
Unterdessen war alles zugerüstet, und der Wirt ließ Salat, Brot und zwei Flaschen funkelnden Wein auftragen. Sie ließen nun die Gespräche ruhen und fingen an zu essen. Burchiello und Amadore saßen an der Wand, Biondo und Meister Manente ihnen gegenüber. Während des Essens behielt Burchiello den Arzt immerdar im Auge. Beim ersten Trunk sah er ihn Meister Manentes Gebrauch üben, der immer zwei Gläser Wein auf einmal hinter dem Salat zu leeren pflegte und hernach jedesmal Wasser zugoß. Dies setzte ihn in großes Erstaunen. Als sodann die Tauben und die Krammetsvögel auf den Tisch kamen und der Fremde ihnen gleich die Köpfe abriß und sie aufspeiste, weil ihm der Kopf der liebste Bissen von jedem Tiere war, so war er drauf und dran loszuplatzen, hielt jedoch noch länger an, um seiner Sache gewisser zu werden. Nun kam der Nachtisch: es waren Birnen, Sancolombaner Trauben und vortrefflicher Ziegenkäse; und jetzt wurde er seiner Sache ganz gewiß: denn als der Arzt Birnen und Trauben
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