Italienische Novellen, Band 3
seinen Beichtvater Meister Sebastiano aufzusuchen; denn er dachte, er müßte ein guter Mittelsmann werden, um seine Anerkennung von Seiten seiner Frau einzuleiten; er wollte ihm alles anvertrauen, was ihm begegnet war, und sich mit ihm beraten; als er aber im Kloster nach ihm fragte, erhielt er zur Antwort, er sei nach Bologna übergesiedelt; in Verzweiflung darüber wußte er gar nicht, was er beginnen sollte. Er lief umher, über den Platz, über den Neumarkt, den Altmarkt, er traf unter andern Bekannten und Freunden den Makler Biondo, den Trommelschläger Feo, den Meister Zenobi della Barba, den Sattler Leonardo und kam zuletzt halb von Sinnen, wie er sah, daß er fortwährend von keinem einzigen wiedererkannt ward.
Nun war es aber schon Mittagessenszeit geworden; da ging er in die »Affen«, wo Amadore, einst sein innigster Freund, Wein schenkte. Diesen ersuchte er, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten, was er auch tat. Am Schluß des Essens sagte Amadore zu ihm, er meine ihn sonst schon gesehen zu haben, könne sich aber nicht darauf besinnen, wo. Meister Manente antwortete, es könne sehr leicht geschehen sein, da er lange Zeit in Florenz bei Meister Agostino in der Baderei am Platze Padella gewohnt habe, wohin er jetzt auch von Livorno zurückkehre, da er der Wasserfahrten überdrüssig sei. Während so ein Wort das andere gab, beendigten sie ihre Mahlzeit, und ohne sich zu erkennen zu geben, befriedigte Meister Manente den Wirt, ging höchst bekümmert und erstaunt, daß jener ihn nicht wiedererkannt habe, hinweg, mit dem festen Vorsatze, unter allen Umständen vor Nacht noch mit seinem Weibe zu reden. Er schlenderte deshalb so lange in der Stadt umher, bis ihm die schickliche Stunde gekommen zu sein schien, nämlich bis zu dreiundzwanzigeinhalb Uhr. Da klopfte er zweimal stark an die Türe. Die Frau sah heraus, wer es sei. Da antwortete der Arzt: »Ich bin's, meine liebe Brigida! Mach auf!«
»Und wer seid Ihr denn?« fragte jene weiter. Meister Manente, um nicht laut sprechen zu müssen, daß die ganze Nachbarschaft es hörte, gab zur Antwort: »Komm herab, dann sollst du's hören!«
Brigida hörte Meister Manentes Stimme, sah sein wohlbekanntes Angesicht, erinnerte sich des Briefes und wollte daher nicht herunterkommen, da sie irgendein unheimliches Ereignis befürchtete.
»Sagt mir nur von unten«, rief sie ihm daher zu, »wer Ihr seid und was Ihr suchet?«
»Siehst du es denn nicht?« antwortete der Arzt. »Ich bin Meister Manente, dein echter und rechtmäßiger Ehegatte; dich suche ich, du bist meine Frau.«
»Meister Manente, mein erster Mann, könnt Ihr nicht wohl sein, weil der tot und begraben ist«, sagte die Frau. »Wie, Brigida?« fragte der Arzt, »tot? Ich bin noch nicht gestorben.«
Dann fügte er bei: »Sei doch so gut und mach mir auf! Kennst du mich nicht, mein holdes Herz? Bin ich denn so sehr entstellt? Mach mir doch auf, ich bitte dich, und du sollst sehen, daß ich lebe.«
»Ei was«, fuhr Brigida fort, »Ihr seid wohl auch der Schelm, der mir gestern früh den Brief geschrieben hat. Schert Euch in Gottes Namen fort, denn wehe Euch, wenn Euch mein Mann hier trifft!«
Es waren indessen viele Leute aus Neugier vor dem Hause zusammengelaufen, und ein Nachbar nach dem andern zeigte sich am Fenster und gab sein Teil dazu. Monna Dorotea, die Betschwester, welche Brigiden gerade gegenüber wohnte, hatte alles von Anfang an mit angehört und sagte: »Nimm dich in acht, meine Tochter, das ist gewiß der Geist deines Meisters Manente, der hier umgeht, um seine Sünden abzubüßen. Er gleicht ihm vollkommen an Aussehen und Sprache. Rufe ihn ein wenig, frage ihn und beschwöre ihn, ob er etwas von dir will!«
Brigida glaubte halb und halb und fing an mit kläglicher Stimme zu rufen: »O du arme Seele, hast du vielleicht etwas auf dem Gewissen? Willst du ein Totenamt? Hast du noch ein Gelübde zu erfüllen? Sprich es nur aus, was du willst, gebenedeite Seele, und geh mit Gott!«
Wie Meister Manente dies hörte, kam ihn fast die Lust zu lachen an. Er sagte immer, er lebe, sie solle ihm nur aufmachen, und er werde sie schon vergewissern. Sie fuhr aber nichtsdestoweniger fort, ihn zu fragen, ob er des heiligen Ghirigoro verlange, bekreuzte sich, und auch Madonna Dorotea sprach: »0 du Gott befohlene Seele, wenn du im Fegefeuer bist, so sag es frei heraus, denn deine gute Frau wird für dich das Jubiläum mitmachen und dich erlösen.«
Dazu schlug sie ellenlange Kreuze und rief jeden
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