Italienische Novellen, Band 3
Gefahr: denn wenn Nepo die böse Absicht sehe oder bemerke, könnte er sie stumm machen, einem die Augen verdrehen, den Mund schief ziehen, die Glieder lähmen oder sonst ein bösartiges Übel anhängen. Der Vikar, der, wie schon gesagt, von gutherziger, weicher Gemütsart war, fiel auf solche Vorstellungen leicht der Meinung Lorenzos bei, entschuldigte seinen Eifer damit, daß er der Sache nicht so reiflich nachgedacht habe, und erklärte endlich ein für allemal, daß er ferner nicht mehr davon zu reden entschlossen sei. Mit diesem Vorsatze verließ er den Erlauchten nicht ohne starke Besorgnis wegen eines etwaigen bösen Übels, ging nach seiner Wohnung zurück und erwähnte Nepo in seinem ganzen Leben nicht mehr weder im Guten noch im Bösen.
Am folgenden Tage nahm Michelangolo aus Meister Manentes Hause alle seine Habseligkeiten weg, und Brigida begab sich in das Haus ihres Bruders, so daß der Arzt sein voriges Besitztum ungehindert antreten konnte und noch am nämlichen Tage wieder mit seinem Söhnchen zusammen wohnte, das ihm ein ganz unerwarteter Fund erschien.
In dieser Zeit ward in Florenz von nichts anderem gesprochen als von diesem Ereignis, und vorzüglich Nepo erntete dabei große Ehre und unschätzbaren Ruf, zumal beim gemeinen Volke, und wurde für einen großen Schwarzkünstler gehalten. Meister Manente glaubte steif und fest, daß die Sache sich so verhalte, wie Nepo erzählt hatte, und pflegte in der Folge oft gesprächsweise zu sagen: »Die Birne, die der Vater ißt, verschlägt manchmal noch dem Sohne die Zähne.«
Dies wurde von da an zum Sprichwort, das noch jetzt üblich ist. Der ehrliche Mann ließ sich auch in seinem Glauben durch nichts irre machen, obwohl nicht nur Burchiello, sondern auch sogar der Erlauchte, Monaco und die Stallknechte im Verlaufe der Zeit den ganzen Scherz erzählten, wie er sich verhielt. Er war vielmehr so verschüchtert, daß er sich viele Gebete des heiligen Cyprian kaufte, die er beständig auf dem Leibe an sich trug und auch Frau Brigida tragen ließ. Brigida nun gebar, als ihre Zeit erfüllt war, ein Knäblein, das Michelangolo zu sich nahm und bis in sein zehntes Jahr auferzog. Als dem Kinde in diesem Alter der Vater starb, machten es die Seinigen zu einem Mönchlein in Santa Maria Novella, wo es in der Folge sehr gelehrt ward und zu einem großen Prediger erwuchs, den die Leute um seiner scharfsinnigen Einfälle und anmutigen Scherze willen Bruder Grübler nannten. Meister Manente erfreute sich mit seiner Brigida eines steten Zuwachses an Wohlstand und Nachkommenschaft und feierte, solange er lebte, alljährlich das Fest des Sankt Cyprian, dem er immerdar mit besonderer Verehrung zugetan blieb.
Giovanni Battista Giraldi
1504 –1573
Ein argloser Ehemann
In Rimini, einer Stadt der Mark, die früher von der alten und edlen Familie der Herren Malatesta beherrscht wurde, solange das Schicksal ihrer Tugend und ihrer sehr großen Tapferkeit gewogen war, lebte eine junge Frau namens Vana, die aus ziemlich angesehener Familie stammte und mit einem netten jungen Manne verheiratet war, der sie außerordentlich liebte. Sie sah sehr schön aus und hatte feine Umgangsformen, aber mehr Neigung zur Lüsternheit, als einer anständigen Dame zukam, und war so mannstoll, daß sie nicht mit einem zufrieden war, sondern selbst wenn sie zehn gehabt hätte, wäre sie nicht befriedigt gewesen. Aber die Furcht vor ihrem Mann, der nicht nur sehr schön, sondern auch hochherzig war und auf Ehre hielt wie nur ein Mann seiner Stellung, legte ihrem lüsternen Verlangen Zügel an; denn sie fürchtete, wenn er irgend etwas Unehrbares an ihr wahrnehmen würde, würde er sie die härteste Strafe erleiden lassen. Und obwohl die Furcht sie sich etwas beherrschen ließ, blieb ihr Sinn dennoch der gleiche, und innerlich war sie durchaus gewillt, ihr Verlangen voll zu befriedigen, sooft ihr die Gelegenheit günstig schien. Obwohl sie ihren Mann sehr auf Ehre bedacht sah und sich selbst in Lebensgefahr, sooft er sie als nicht ehrbar erkannt hätte, so hätte sie sich doch am liebsten mit allen Männern, die ihr gefielen, eingelassen, wenn sie eine günstige Gelegenheit dazu gesehen hätte, falls es ohne Gefahr möglich gewesen wäre. Aber indem sie vor den Augen ihres Mannes höchste Keuschheit heuchelte, suchte sie bei ihm den Eindruck zu erwecken, als ob sie in ihn ebenso verliebt wäre wie damals, als sie begonnen hatte, ihn zu lieben. Von der Verstellung der falschen Frau getäuscht, war
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