Italienische Novellen, Band 3
erlaubte!«
»Und warum sollte er es nicht zugeben?« sagte die Alte.
»Weil«, antwortete Messere Horatio, vorsätzlich seinen eigentlichen höchsten Wunsch verbergend, »weil meine Tochter gar nicht gewohnt ist, umherzureisen.«
»Ei«, sagte die gottlose Alte, die in den ganzen Plan eingeweiht war, »wollt Ihr, Messere, daß das Mädchen wie eine Nonne sich immer im Hause vergrabe? Vergönnt Ihr doch auch je und je eine anständige Zerstreuung! Der Ort, wohin wir gehen, ist nicht weit, der Weg gut und ungefährlich, die Jahreszeit lädt zu Vergnügungen ein, bei den Hochzeiten werden viele adlige Fräulein sein, wie Cicilia, und ich will schon über sie wachen und ihr Gesellschaft leisten, als wäre es mein eigen Kind. Daher bitte ich Euch, mir zu erlauben, daß sie mit mir kommt und mit meinem Manne; wir haben sie ja von Kindheit auf schon gepflegt und gewartet.«
Messere Horatio tat noch immer, als sei er nicht einverstanden, und die unglückliche Cicilia, die nicht wußte, was das für Folgen haben werde, um was sie so einfältig bat, bestürmte ihren Vater unablässig, ihr die Erlaubnis zu erteilen. So bat also einerseits die Tochter, andererseits die böse Alte und die andern, die im Hause waren, und am Ende stellte er sich zufrieden. Am Morgen ließ Messere Horatio Cicilia ein karmosinrotes Zendelkleid anziehen und übergab sie Maltrova und dem gottlosen Weibe auf ihren Wagen. Messere Horatio tat, als wollte er seiner Tochter noch eine alte Frau zur Gesellschaft mitgeben; die andere aber sprach: »Ihr habt wenig Zutrauen zu mir, Messere, daß Ihr meint, sie brauche noch ein anderes Geleite, wenn ich bei ihr bin. Sollte ich etwa nicht verstehen, sie zu bedienen?«
Der Vater schien sich auf diese Worte der Gottlosen zu beruhigen; das unglückliche Fräulein meinte eine Lustreise anzutreten und machte sich auf den Weg mit solchen, die sie zum Tode führten.
Maltrova schlug den Weg gegen Ravenna ein, und als sie in einen dichten Wald kamen, tat er, als sei ein Holz am Wagen gebrochen, und sagte zu seinem Weibe und der jungen Frau, sie sollten aussteigen, damit er die zerbrochene Stange wieder in Ordnung bringe. Die zwei Frauen stiegen ab, und als Cicilia auf dem Boden stand, nahm sie Maltrova beim Arme und sprach: »Empfiehl deine Seele Gott, denn hier mußt du durch meine Hand sterben!«
Die junge Frau war bei diesen Worten halb tot und fing an, laut zu weinen und zu schreien. »Ach, Maltrova«, sagte sie, »sind das die Hochzeiten, zu denen du mich führen willst? Behandelt man so Frauen meinesgleichen?« »Ja«, antwortete der Verruchte, »so behandelt man Weiber, die ohne Rücksicht auf die Ehre ihrer Familien tun, was du getan hast, schnödes Weib! Hier soll deine Hochzeit gefeiert werden, wie es sich für dich gehört.« Aus diesen Worten erkannte die Unglückliche, daß der Vater ihren Fehltritt bemerkt und sie deshalb diesem Manne übergeben habe, damit er sie umbringe. Dessenungeachtet warf sich die Unglückliche vor Maltrova auf die Knie und sprach weinend zu ihm: »Ich leugne nicht, gefehlt zu haben; aber nichtsdestoweniger habe ich ja dich niemals beleidigt und dir keine Schmach angetan, wofür du dich rächen müßtest. Ach, wenn du nicht mit mir Erbarmen haben willst, so habe wenigstens Mitleid mit dem unglücklichen Geschöpfe, das ich unter dem Herzen trage! Gib nicht außer mir auch ihm den Tod, das noch nichts verbrochen hat, ja noch gar nicht geboren ist!«
Dann stand sie auf und wandte sich an die grausame Alte: »Ach, meine Mutter«, sprach sie, »ich bitte Euch, erlaubt doch nicht, daß ich von Eurem Gatten, dem ich immer, wie Ihr wißt, nur Freude machte, so grausam hingemordet werde!«
Die mitleidslose Alte sagte nichts anderes zu ihr als: »Wenn dein Vater sich deiner nicht erbarmt hat, wie willst du, daß wir es sollen? Sterben mußt du: darum hab acht, nicht mit dem Leib auch die Seele zu verlieren!«
Da nahm sie Maltrova bei den Haaren und hob das Schwert auf, um ihr den Kopf abzuschlagen. Während er aber ausholte, faßte die Alte, in der das Erbarmen Platz gegriffen hatte, doch das Mitleid mit dem jungen Weibe; sie hielt den Arm des Gatten auf und sprach zu der unglücklichen Cicilia: »Wenn du uns versprichst, so weit wegzugehen, daß dich niemand kennt und nie jemand sagt, daß du noch am Leben bist, so will ich dir das Leben schenken.«
Cicilia meinte, es sei eine Stimme vom Himmel in ihre Ohren gedrungen; sie versprach es ihr und schwur ihr bei Gott, es so zu machen.
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