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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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Kirchenschiff. »Lauf«, schrie sie.
    »Sie stirbt, noch bevor deine Pfoten den Boden berühren«, sagte Mr Mayfair warnend und drückte die Spitze der Klinge ein wenig fester gegen Lilys Hals. Als sie den stechenden Schmerz spürte, entfuhr ihr, ohne dass sie es wollte, ein Keuchen.
    Noch immer rührte Tye sich nicht.
    »Du darfst ihm nicht trauen«, brachte sie mühsam heraus, ihre Stimme ein heiseres Flüstern. »Weißt du denn nicht mehr? Er war es, der den Angeketteten Drachen befreit hat. Er ist verantwortlich für den Tod deiner Eltern. Er ist schuld am Tod seines eigenen Sohnes. Und jetzt ist er sogar bereit, seinen Enkel zu opfern. Er wird nicht eine Sekunde zögern, uns beide zu töten.«
    »Ich zögere niemals, wenn die Sache die richtige ist«, stimmte Mr Mayfair zu. »Ja, ich trage diese Last, und glaubt ja nicht, das fiele mir leicht. Aber du musst heute nicht sterben, Tigerjunge.«
    Das Fell des Tigers begann zu flirren. Sekunden später hockte Tye in seiner menschlichen Gestalt auf der Brüstung. Sorgfältig auf sein Gleichgewicht achtend, stand er auf. »Tye, bitte! Spring! Lauf weg!«, flehte Lily. »Du wirst gebraucht. Du musst in Freiheit bleiben. Du musst meine Mutter durch das Tor bringen. Und deinen Vater zurückbringen. Und meine Großmutter. Und all die anderen.«
    Tye kletterte von der Brüstung. »Tut mir leid, Lily, aber ich werde dich nicht mit ihm allein lassen.«
    Ihr Mut sank. Wenn Mr Mayfair sie beide zu seinen Gefangenen machte, wäre das FitzRandolph Gate versiegelt.
    »Weise Entscheidung, junger Mann«, sagte Mr Mayfair. »Jetzt komm hier rüber und setz dich neben deine melodramatische, kleine Freundin.«
    Schweigend hockte sich Tye neben Lily in die Kirchenbank.
    »Welch überaus seltene Gelegenheit«, stellte Mr Mayfair fest, während er ihn mit den restlichen Stricken fesselte. »Ausnahmsweise bist du einmal den wachsamen Blicken deiner steinernen Freunde entzogen. Keiner von ihnen war hier und hat dich in die Kirche gehen sehen, hab ich nicht recht?«
    »Bitte, tun Sie ihm nicht weh.« Lily zerrte an ihren Fesseln. »Wenn Sie ihm wehtun, dann werde ich … « Sie überlegte fieberhaft, womit sie ihm drohen könnte. Ihr fiel nichts ein. »Wagen Sie es ja nicht.«
    »Du, meine Liebe«, wandte sich Mr Mayfair an Lily, »hast wirklich eine höchst bedenkliche Neigung, die Heldin zu spielen. Darin bist du deinem Vater recht ähnlich, weißt du? Wäre er damals einfach weggelaufen, statt dich und diese erbärmliche Kreatur zu beschützen, die du ›Mutter‹ nennst, hätte der Drache ihn verschont.« Er erhob sich und ging hinüber auf die andere Seite der Chorempore. »Glücklicherweise verfüge ich über ein äußerst geeignetes Druckmittel.«
    Im Augenwinkel bemerkte Lily, wie an Tyes linker Hand Krallen aus den Fingerspitzen wuchsen und er begann, einen der Stricke zu durchtrennen, die ihn fesselten. Mr Mayfair beugte sich unterdessen über den Haufen scheinbar achtlos hingeworfener Chorgewänder neben der Garderobe und hob ihn hoch.
    Dann kehrte er, das große Bündel auf den Armen, zu seinen beiden Gefangenen zurück. Zwischen den Falten des Stoffes lugte orangefarben angesprühtes Haar hervor. Lilys Herz setzte aus. Mom. Mr Mayfair legte ihre Mutter auf eine der Kirchenbänke und zog ihr den Mantel vom Gesicht. Der Kopf hing schlaff zur Seite.
    »Sie atmet, Lily«, sagte Tye rasch. »Alles in Ordnung. Sie lebt.«
    Lily nahm hastig ein paar tiefe Atemzüge. Er hatte recht. Mom lebte. Bebend hob sich ihr Brustkorb und senkte sich wieder. Ihre Lider flatterten, doch sie schlug die Augen nicht auf. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    »Sie weigerte sich hartnäckig, deinem Großvater von der Seite zu weichen«, erklärte er. »Also war ich gezwungen, ihr etwas Magie abzuzapfen, damit sie wieder zur Besinnung kommt.« Er schüttelte den Kopf. »So viel Hingabe bei einem Monster … Wie unerwartet.«
    »Sie ist kein Monster! Sie ist die Güte in Person!« Lily konnte die Augen nicht von ihrer Mutter abwenden. Sie sah so blass aus. Ihre Wangen waren eingefallen. Jedes kleine Fältchen trat überdeutlich hervor, bildete eine scharfe schwarze Linie.
    »Sie ist überhaupt keine Person«, entgegnete Mr Mayfair und schüttelte den Kopf. »Mein Sohn war ihr auch verfallen. Doch im Gegensatz zu deinem Großvater entschied ich mich dafür, diesem abscheulichen Irrtum der Schöpfung keinen Unterschlupf zu gewähren. Ich behandle Monster so, wie sie es verdienen.« Lily fiel auf, dass er Tye

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