Jack Fleming 01 - Vampirdetektiv Jack Fleming
verschont oder unmittelbar danach errichtet worden zu sein. Kinder spielten auf der ruhigen Straße, und Eltern saßen auf den Stufen und fächerten sich die kühlere Luft der Abenddämmerung zu. Es war eine respektable Mittelstandsgegend. Sie schien kaum zu Escott zu passen, andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, was zu ihm gepasst hätte.
Ich läutete an einem braunen Klinkergebäude mit drei Stockwerken, und Cal öffnete mir.
»Hi, Mist' Fleming. Shoe sagte schon, Sie kommen vorbei.« Aus dem Inneren drang Escotts Stimme: »Dass Sie vorbeikommen würden, Cal.«
Cal grinste und sagte es noch einmal auf, diesmal richtig, dann trat er zurück und ließ mich ein. Der Flur war klein, und an der Wand hing eine Knagge für Hüte und Mäntel. Weiter geradeaus führte eine düstere Treppe nach oben und links davon ein Flur in den hinteren Teil des Hauses. Parallel zur Treppe befand sich eine Doppeltür, und dahinter lag das Wohnzimmer, wo Escott auf einem alten abgedeckten Sofa lag. Er trug einen dunklen, purpurfarbenen Bademantel, dessen Farbe ihn noch bleicher aussehen ließ, als es tatsächlich der Fall war. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, aber offenbar freute er sich, mich zu sehen. »Kommen Sie herein, setzen Sie sich. Möchten Sie etwas Tee?«
Die Frage war eher für Cal gestellt; ich lehnte höflich ab. »Sie sehen besser aus als gestern Nacht. Wie fühlen Sie sich?«
»Müde, aber ich werde es überstehen. Shoe lud mich ein, bei ihm zu bleiben, aber ich wollte nach Hause. Wir schlossen dann einen Kompromiss, und er ließ mich ziehen, aber nur unter der Bedingung, dass Cal hier bleibt und auf mich Acht gibt.«
»Gut, ich fürchtete schon, Sie wären auf sich allein gestellt.«
Auf den zweiten Blick wirkte das Zimmer vollgestopft. Die hohe Decke ließ die Bodenfläche kleiner erscheinen. Das Parkett war aufpoliert; das Lampenlicht und einige bequeme alte Möbel spiegelten sich darin. Einige Bilder hingen an langen Drähten von der oberen Stuckade. Es handelte sich ausschließlich um mittelmäßige Drucke von nackten Frauen, die sich mit Putten und Tauben auf Wolken räkelten und kaum zu Escott Charakter passten.
»Haben Sie das Haus möbliert übernommen?«
Er bemerkte meine Blickrichtung, und Falten erschienen um seine Augen. »Gefallen sie Ihnen?«
»Sie sind ... interessant.«
Meine Miene blieb ihm nicht verborgen. »Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack. Falls ich irgendwann dazu komme, werden sie sich für einen Plunderhändler sicher als gewinnbringend erweisen.«
»Sie kamen also mit dem Haus?«
»Ja, gewiss. Es hat eine interessante Geschichte. Meine Nachbarn versicherten mir glaubwürdig, dass es früher einmal ein Bordell war.«
»Die vorigen Mieter wohnen aber nicht mehr hier, oder?«
»Nein, der Besitzer starb vor einiger Zeit, das Haus wurde zum Verkauf ausgeschrieben, und ich konnte es recht preiswert erwerben, da es sonst niemand haben wollte. Wissen Sie, ab und zu muss ich einen alten Kunden fortschicken, der die Kunde noch nicht erfahren hat. Mein Leben ist nicht langweilig – manchmal sonderbar, aber niemals langweilig.« Er nippte an seinem Tee. »Shoe meint, ich solle Ihnen davon abraten, Ihren Fall auf eigene Faust zu verfolgen, und ihn stattdessen an die Polizei weitergeben.«
»Sie wissen doch, dass ich in meinem Zustand nicht zur Polizei gehen kann.«
»Ich weiß es, aber Shoe weiß es nicht. Er ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass ich wegen des kleinen Zwischenfalls das Interesse an dem Fall verloren habe.«
»Das überrascht mich nicht; er hat es gestern Nacht erwähnt. Es tut mir Leid. Wenn ich schneller gewesen wäre ...«
Er schüttelte den Kopf. »Niemand hätte schneller sein können, ich habe es gesehen, schließlich haben Sie mich gerettet, und dafür bin ich Ihnen dankbar. Vergessen Sie das, ich bin bald schon wieder auf den Beinen.«
Cal kam mit einem Glas Wasser und einer kleinen Pillenflasche herein. »Es ist Zeit.«
Escott verzog das Gesicht, nahm zwei Pillen und spülte sie herunter, um es hinter sich zu bringen. Dann brachte Cal das Glas wieder in die Küche. Sobald er das Zimmer verlassen hatte, spuckte Escott die Pillen sorgsam in ein Taschentuch und steckte es in die Tasche seines Mantels. Er trank noch etwas Tee, um den Geschmack loszuwerden.
»Was soll das?«, fragte ich.
»Das ist Morphin. Ich habe gesehen, was es anrichten kann, und ich ertrage wirklich lieber die Schmerzen. Wenigstens weiß ich, dass sie vergehen werden.
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