Jack Fleming 02 - Blutjagd
Mitte September hatten und es noch recht milde war. Aber er trug ihn, weil er darunter die abgesägte Schrotflinte besser verbergen und unbehelligt damit ein Haus betreten konnte. Er hätte gar nicht hier sein sollen. Eigentlich sollte er in einem geparkten Ford sitzen und auf Mrs. Blatski warten.
Er grinste, als er mein überraschtes Gesicht sah. Seine netten tiefen Grübchen zeichneten sich ab, als er ohne eine Miene zu verziehen und ohne weitere Warnung einen Abzug drückte, dann den anderen, und beide Läufe durch die offene Tür entleerte.
9
Ich lag auf dem Fliesenboden. Er roch nach Seife, Kordit, versengtem Stoff und Blut.
Die Wucht des Schusses hatte mich gegen ein Waschbecken geworfen, dadurch hatte sich der Sturzwinkel verändert, und jetzt lag ich mit dem Gesicht am Boden. Die durch den Schuss ausgelöste Agonie hielt mich in einem lähmenden Griff, wie es kaum etwas anderes vermochte. Verzweifelt rang ich um die Funktion meines Körpers und meines Verstandes. Es dauerte mehrere lange Sekunden, bis meine bebenden und zuckenden Glieder sich genug beruhigten, dass ich aufstehen konnte.
Die Tür stand immer noch offen, und in der Luft schwebte dichter blauer Rauch. Zehn Sekunden, um auf die Beine zu kommen, fünf weitere, um auf den Flur zu taumeln, aber das war lang genug.
Malcolm war fort.
Braxton ebenfalls – fort aus diesem Leben. Er lag reglos auf dem Rücken. Der Schuss hatte seinen schmächtigen Körper fast in zwei Hälften gerissen. Sein Blut überschwemmte die schwarzweißen Kacheln. Sein Gesicht zeigte eine träumerische Ruhe. Der Tod war so rasch eingetreten, dass er gar nicht hatte reagieren können.
Matheus lag auf der Seite im Flur und umklammerte immer noch mit einer Hand sein Kreuz. Über dem rechten Auge war ein blutiger Streifen, und ein hellroter Faden sickerte ihm daraus in die Haare. Er lebte noch.
Die Studiotür öffnete sich. Für Erklärungen hatte ich keine Zeit. Ich löste mich auf, bevor mich jemand sah, und diffundierte durch die Stockwerke nach unten in der Hoffnung, das Erdgeschoss vor Malcolm zu erreichen. Ein paar Leute standen in der Eingangshalle des Gebäudes. Ich riskierte es, Gestalt anzunehmen, aber niemand bemerkte es, alle sahen durch die Vordertür. Ich drängte mich an ihnen vorbei und auf die Straße. Kein Ford in Sichtweite, aber ein Mann rannte mit wehendem Mantel davon. Meine Beine fraßen seinen Fünfzig-Yard-Vorsprung auf, ich packte ihn und wirbelte ihn herum.
Wässrige Augen, ein Drei-Tage-Bart, kein Kinn, Gestank nach Schnaps und Schweiß – er trug Malcolms Mantel oder einen, der genau so aussah.
»Immer sachte, Captain!«, krächzte er.
»Wo ist er? Wo ist der Blonde hin?«
»Hab gemacht, was er gesagt hat, war das gut? Ich krieg noch mal zwei Nickel, wenn es gut war. War doch gut, oder?«
»Was solltest du machen?«
»Auf der Treppe warten un' losrenn', Captain. Auf 'n Knall warten un' losrenn'. War doch gut, oder?«
Es war gut: Es hatte Malcolm genug Zeit verschafft, um auf einem anderen Weg zu entwischen, während ich den Schluckspecht jagte. Ich rannte zur Lobby zurück. Der Türsteher war die erste amtlich aussehende Gestalt, die mir über den Weg lief, also griff ich ihn mir, sagte, es habe im Studio einen Zwischenfall gegeben und er solle einen Krankenwagen rufen. Dann raste ich wieder nach oben, um nach Malcolm zu suchen. Die Chancen, ihn zu finden, standen erbärmlich; mittlerweile war er sicher verschwunden.
Der Flur zum Studio war der reinste Zirkus. Männer spähten in den Waschraum, und eine kleine Gruppe hatte sich um Matheus versammelt. Eine Frau weinte, und ein anderer Mann hielt sie an sich gedrückt. Die Bühne war leer, nur die Stühle und das Klavier standen noch da. Als ich den Zwischenraum zwischen Bühne und Publikumsraum durchquerte, hielt mich der Hemdsärmelige auf. Mit offenem Mund starrte er auf meine zerfetzte Kleidung.
»Tut mir Leid, hier dürfen Sie nicht rein.«
»Ich bin in Begleitung von Bobbi Smythe, sie hatte heute einen Auftritt.«
»Dann wird sie hinter der Bühne sein, aber ...«
Der Hintereingang zur Bühne öffnete sich in einen Flur voller Menschen, die mich sämtlich ansahen. In ihren Mienen mischten sich Fragen und Verstörung.
»Wo ist Bobbi Smythe?«, fragte ich niemanden bestimmten. »Ich glaube, sie ist gegangen«, äußerte eine Frau.
»Wann?«
»Vor einer Minute war sie noch hier«, sagte ein anderer.
Weiter hinten im Flur lagen weitere Waschräume. Ich öffnete die
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