Jack Holborn unter den Freibeutern
weiterhin kräftig,
und unter reichlich gesetzter Leinwand machten wir
gute Fahrt.
Der Fremde erwärmte sich zusehends, als die Stun-
den nach Weymouth abnahmen und sich über die
ganze Lady Jane eine Abschiedsstimmung senkte.
Er fragte mich, was ich täte, wo ich lebte, mit wem 210
ich reiste und ob ich eine Mahlzeit mit ihm teilen
würde, wenn wir an Land kämen.
»Frage deine Gefährten«, drängte er mich. »Frage
sie, ob sie dich eine oder zwei Stunden entbehren
können.«
»Das will ich tun, Sir«, sagte ich, ungeheuer ge-
schmeichelt von seiner Aufmerksamkeit. »Ich werde
sie gleich fragen.«
Denn ich hatte gerade, sehr gelegen, Mister Trum-
pet und »Mister Rogers« zum ersten Mal an jenem
Tag auf dem Halbdeck gesehen.
»Das sind sie da drüben – an der Reling – wollen
Sie –?« Ich unterbrach mich in plötzlichem Schmerz
und in Verwunderung – mein Handgelenk! Er hatte
mein Handgelenk gepackt, und mit einem Griff, der
es beinahe entzweibrach.
»Was ist das für ein Mann?«
»Mein Handgelenk, Sir – mein Handgelenk –«
»Was – ist – das – für – ein – Mann?«
»Wer? Welcher Mann?«
»Der kleine. Der grauhaarige – der Mann mit dem
Stock mit dem goldenen Knauf.«
»Mister Rogers. Das ist Mister Rogers.«
Er ließ mein Handgelenk los und schritt unsicher
zum Bug der Lady Jane. Und dort blieb er, in ein
ungewöhnliches Schweigen gehüllt. Er sprach weder
zu mir noch einer anderen Seele an Bord und blieb
still wie ein Fels, trotz Nebel, trotz Dämmerung, ja sogar trotz Weymouth. Dann gingen wir und die
ganze Schiffsbesatzung an Land.
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Ich fragte Mister Trumpet, ob er den Fremden
schon einmal gesehen hätte. »Nie«, sagte er. »Nie in allen meinen Tagen.« Aber Mister Trumpet war so in
sein künftiges Leben der Muße und des Reichtums
vertieft, daß er’s nicht gemerkt hätte, wenn der
Fremde sein eigener Bruder gewesen wäre.
Ich fragte »Mister Rogers« und kriegte nicht mehr
als »nicht seinem sicheren Wissen nach … vielleicht ein Irrtum: gestörte Sicht … hat ihn für einen anderen gehalten … schwindendes Licht gaukelt etwas vor …
überspannt. Nein … nein … nie vorher gesehen …«
Dann gelangten wir etwa um acht Uhr am nebligen
Abend des 25. November in den Hafen von Wey-
mouth. Zehn Minuten danach waren wir an Land.
Zurück in schmutzigem Nebel und der stinkenden
Luft und klapperten wieder einmal auf dem Kopf
Steinpflaster. (Mein Gott! Das war ein gutes Gefühl.
Und ich war einmal davongerannt, um ihm zu entge-
hen. Jack Holborn? Nun, nicht ganz derselbe Jack
Holborn, der davonging.)
Dann sah ich ihn wieder: groß und abweisend in
dem fließenden Nebel. Sein einsames Auge starrte
»Mister Rogers« an. Er drehte sich abrupt um und
verschwand in der belebten Nacht.
XXI
Wir fanden für diese Nacht Unterkunft im schäbigen
»Nordstern« in der Watergate Street, und dort er-
212
klärte Mister Trumpet, wir müßten alle am Morgen
die Postkutsche nach London nehmen.
»Dann bleiben wir also zusammen?« fragte »Mi-
ster Rogers« ein wenig überrascht.
»Bis London – bis London. Das ist unser Zentrum.
Das ist das Herz unserer Welt. Da haben wir alle angefangen: da müssen wir alle enden.«
»Enden?«
»Unsere Bekanntschaft. Abschied nehmen. Uns
trennen. Auseinandergehen. Sie nach London, ›Mister Rogers‹, um Ihr Leben wiederaufzunehmen, um seine
Löcher zu stopfen, es aufzuschönen, wo es faden-
scheinig geworden ist, es zu beleben, wo’s verfault ist.
Ich nach London, der Geschäfte wegen –« Er lächel-
te, und ich sah, daß er eine Weile in Träume versank, wie er alte Freunde überraschte und alte Feinde er-staunte, wie er teure Juwelen vor aufgerissenen Au-
gen glitzern ließ – wie Salomon in die eigene Trompe-te stieß.
»Ja … geschäftehalber. Und Jack –«
»Was ist mit Jack?«
(Das war nicht ich, der fragte, sondern »Mister
Rogers«. Scharf. Besorgt. Besorgt um einen Jungen,
der in London losgelassen war.)
»Jack nach London, weil er –«
»Weil er ein Londoner Jung’ ist!« Das war lach-
haft, und ich erwartete, daß er wieder sagen würde
»Nichts ist mir lieb wie ein Lond’ner Jung.« Aber das tat er nicht, und man ließ es dabei. Ich nach London, weil ich ein Lond’ner Jung’ war. Ein ausreichender
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Grund. Jede Maus in ihr Loch, jeder Schorf auf seine Wunde, jede Leiche in ihr Grab.
Um halb elf gingen wir hinauf in unser Bett; ein
Zimmer für uns drei. Obwohl
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