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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sie einen Karton von ihrem Wagen forttrug. Die Muskeln ihrer schlanken, gebräunten Arme waren angespannt. Es sah so aus, als sei es eine kleine Anstrengung gewesen, mit dem schweren Karton für den Fotografen stillzustehen. Ich drehte das Foto um und las in einer Schrift, die ich für die ihrer Mutter hielt: »Terris erster Tag auf dem Campus! Denver, Colo.«
    Die anderen Fotos waren hinterher gemacht worden. Ich wunderte mich über die Anzahl. Weshalb brauchten die Cops so viele Fotos? Auf ihnen hatten Theresa Loftons Augen ihren Glanz verloren. Sie waren offen, aber trübe, von einer Art milchiger Schicht überzogen.
    Die Fotos zeigten das Opfer auf ungefähr einem halben Quadratmeter Gestrüpp und Schnee, auf einer kleinen Anhöhe liegend. Die Zeitungsmeldungen waren korrekt gewesen. Man hatte sie in der Mitte durchtrennt. Ein Schal war straff um ihren Hals geschlungen, und ihre Augen waren hinreichend weit aufgerissen und vorgequollen, um die Vermutung nahe zu legen, dass sie erwürgt worden war. Doch damit war die Arbeit des Killers offenbar noch nicht getan gewesen. Er hatte den Körper in der Taille durchgehackt und dann die untere Hälfte auf die obere gelegt. Es war ein grauenhaftes Bild, das den Eindruck erweckte, als vollführe sie einen Geschlechtsakt mit sich selbst. Mir wurde bewusst, dass Wexler mich von seinem Schreibtisch aus beobachtete, während ich mir die fürchterlichen Fotos anschaute. Ich versuchte, mir meinen Abscheu nicht anmerken zu lassen. Und meine Faszination auch nicht. Jetzt wusste ich, was mir mein Bruder hatte ersparen wollen. Ich hatte noch nie etwas so Grauenhaftes gesehen. Schließlich blickte ich Wexler an.
    »Großer Gott.«
    »Ja.«
    »Was einige Zeitungen über die Ähnlichkeit mit der Schwarzen Dahlie in Los Angeles geschrieben haben, war gar nicht so abwegig, stimmt’s?«
    »Ja. Mac hatte sich ein Buch darüber gekauft. Er hat auch einen Veteranen bei der Polizei von Los Angeles angerufen. Es gab etliche Ähnlichkeiten. Das Durchhacken der Leiche. Aber der Fall in L. A. liegt fünfzig Jahre zurück!«
    »Vielleicht hat er jemanden auf die Idee gebracht.«
    »Vielleicht. Der Gedanke ist Mac auch gekommen.« Ich steckte die Fotos wieder in den Umschlag und sah dann erneut Wexler an.
    »War sie lesbisch?«
    »Nein, soweit wir feststellen konnten, nicht. Sie hatte daheim in Butte einen Freund. Einen netten Burschen. Wir haben ihn überprüft - er ist sauber. Eine Zeit lang hat Ihr Bruder dasselbe gedacht. Wegen dessen, was der Killer mit den Teilen des Körpers getan hat. Er dachte, dass vielleicht jemand über sie hergefallen ist, weil sie eine Lesbe war. Vielleicht auf widerliche Art etwas demonstrieren wollte. Aber das war eine Sackgasse.«
    Ich nickte.
    »Sie haben noch fünfundvierzig Minuten.«
    »Wissen Sie, das ist seit langer Zeit das erste Mal, dass Sie ihn >Mac< nennen.«
    »Na und? Jetzt sind es noch vierundvierzig Minuten.«
    Der Autopsiebericht war nach den Fotos regelrecht langweilig. Ich stellte fest, dass die Todeszeit auf den ersten Tag von Loftons Verschwinden festgesetzt worden war. Als ihre Leiche gefunden wurde, war sie bereits länger als vierzig Stunden tot.
    Die meisten der zusammenfassenden Berichte gaben nicht viel her. Routine-Ermittlungen bei den Angehörigen des Opfers, ihrem Freund, bei Freundinnen auf dem Campus, Arbeitskolle ginnen und sogar bei den Eltern der Kinder, die sie betreute, för derten nichts zutage. Fast alle konnten durch Alibis oder andere Ermittlungsmethoden als Tatverdächtige ausgeschieden wer den.
    Den Berichten zufolge war man zu dem Schluss gelangt, dass Theresa Lofton ihren Killer nicht gekannt, dass sich ihr Weg irgendwie mit dem seinen gekreuzt, dass sie einfach Pech gehabt hatte. Man ging davon aus, dass der unbekannte Killer ein Mann gewesen war, obwohl es dafür keine eindeutigen Beweise gab. Das Opfer war nicht sexuell missbraucht worden. Aber die meisten Mörder und Verstümmler von Frauen waren Männer, und man war überzeugt, dass nur eine Person mit großer Körperkraft im Stande gewesen war, Knochen und Knorpel durchzuhacken. Ein Hack- oder Schneidewerkzeug war nicht gefunden worden.
    Obwohl der Körper fast ausgeblutet gewesen war, gab es Hinweise auf Leichenflecken, was bedeutete, dass zwischen dem Eintreten des Todes und der Verstümmelung des Opfers einige Zeit vergangen war. Dem Bericht zufolge möglicherweise zwei bis drei Stunden.
    Merkwürdig war auch der Zeitpunkt, an dem die Tote in den Park gelegt

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