Jack McEvoy 01 - Der Poet
seinen Körper als Schild und zog den Seesack vor seinen Bauch. Er öffnete ihn und griff nach der Ka mera. Ohne sie herauszuholen, tastete er herum, bis er die CLEAR-Taste fand, mit der er den Chip löschen konnte. Es war nicht viel darauf gewesen. Das Mädchen auf dem Karus sell, ein paar Kinder unter öffentlichen Duschen. Kein großer Verlust.
Danach setzte er seinen Weg auf der Pier fort. Er holte seine Zigaretten aus dem Sack, drehte sich um, benutzte seinen Körper abermals als Schild, diesmal gegen den Wind, und zündete sich eine an. Als die Zigarette brannte, schaute er auf und muss te feststellen, dass die beiden Cops näher gekommen waren. Er wusste, dass sie dachten, sie hätten ihn. Er näherte sich dem Ende der Pier. Die Frau hatte den Mann eingeholt, und sie spra chen miteinander. Überlegen vermutlich, ob sie auf die Verstär kung warten sollen, dachte Gladden.
Gladden ging schnell auf die Köderbude und das Büro der Pier-Verwaltung zu. Er wusste genau, wie es am Ende der Pier aussah. Im Laufe der Woche war er zweimal Eltern mit Kindern vom Karussell zum Ende der Pier gefolgt. Er wusste, dass hinter der Köderbude eine Treppe war, die zur Aussichtsplattform auf dem Dach führte.
Sobald er um die Ecke der Bude gebogen und damit außer Sichtweite der Cops war, rannte Gladden zu ihrer Rückseite und dann die Treppe hinauf. Jetzt konnte er auf die Pier vor der Bude hinabblicken. Die beiden Cops standen genau unter ihm und sprachen wieder miteinander. Dann schlug der Mann denselben Weg ein wie Gladden, und die Frau blieb allein zurück. Sie wollten offensichtlich nicht riskieren, dass er ihnen entkam. Plötzlich drängte sich Gladden eine Frage auf. Woher wussten sie Bescheid? Ein Cop in einem Anzug tauchte schließlich nicht so einfach auf einer Pier auf.
Doch er schob diesen Gedanken beiseite, um sich auf die augenblickliche Situation konzentrieren zu können. Er brauchte ein Ablenkungsmanöver. Der Mann würde rasch herausfinden, dass er nicht bei den Anglern am Ende der Pier war, und auf der Aussichtsplattform nach ihm suchen. Gladden entdeckte eine Mülltonne in der Ecke vor dem hölzernen Geländer. Er rannte hin und schaute hinein. Sie war fast leer. Er setzte den Seesack ab, hob die Tonne über seinen Kopf, nahm Anlauf und warf sie übers Geländer, so weit er konnte. Sie flog über die Köpfe der beiden Angler unten hinweg und landete im Wasser. Dabei klatschte sie laut auf, und Gladden hörte, wie ein Junge »Hey!« rief.
»Mann über Bord!«, brüllte Gladden. »Mann über Bord!«
Dann nahm er seinen Seesack und bewegte sich rasch zum hinteren Geländer der Plattform. Er hielt nach der Polizistin Ausschau. Sie war immer noch unter ihm, hatte aber offensichtlich das Aufklatschen und die Schreie gehört. Ein paar Kinder rannten um die Köderbude herum, um herauszufinden, was es mit dem Geschrei und der Aufregung auf sich hatte. Nach kurzem Zögern folgte ihnen die Frau. Gladden warf sich den Seesack über die Schulter, kletterte rasch über das Geländer, ließ sich hinab und sprang dann den letzten Meter zu Boden. Dann begann er, die Pier in Richtung Land entlangzurennen.
Als er die halbe Strecke hinter sich gebracht hatte, kamen ihm die beiden Strandpolizisten auf Fahrrädern entgegen. Sie trugen Shorts und blaue Polohemden. Lächerlich. Er hatte sie bereits am Vortag beobachtet und sich darüber amüsiert, dass sie sich für Cops hielten. Jetzt rannte er auf sie zu und winkte heftig mit den Armen, um sie zum Anhalten zu bewegen.
»Sind Sie die Verstärkung?«, rief er, als sie ihn erreicht hatten. »Sie sind am Ende der Pier! Der Verdächtige ist im Wasser!
Er ist gesprungen. Sie brauchen Ihre Hilfe, und sie brauchen ein Boot. Sie haben mich geschickt, damit ich es Ihnen ausrichte.«
»Los!«, rief einer der Cops seinem Partner zu.
Während der eine davonstrampelte, löste der andere sein Funksprechgerät vom Gürtel und forderte ein Rettungsboot an. Gladden sprach ihnen seinen Dank für ihr rasches Reagieren aus und machte sich wieder auf den Weg. Nach ein paar Sekun den schaute er zurück und stellte fest, dass auch der zweite Cop inzwischen auf das Ende der Pier zuradelte. Gladden begann er neut zu rennen.
Auf dem höchsten Punkt der Brücke, die den Strand mit der Ocean Avenue verband, schaute er abermals auf das Gewimmel am Ende der Pier zurück. Er zündete sich eine weitere Zigarette an und nahm die Sonnenbrille ab. Cops sind so dämlich, dachte er. Sie bekommen, was sie
Weitere Kostenlose Bücher