Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
Strand geritten. Er hatte alles zusammengesetzt. Endlich sah er das ganze Bild, und in seiner Mitte stand die dritte Partei. Sie lächelte ihn an, aus Augen, strahlend und schön.
Folgerung acht: Nicole.
Sie war das Bindeglied. Sie war diejenige, die alle Punkte miteinander verband. Sie hatte geheimes Wissen vom Proteus-Projekt, weil er es ihr gegeben hatte – er hatte es ihr selbst vorgeführt, verdammt noch mal! Und sie kannte seine geheimste Vergangenheit, die wahre und vollständige Geschichte von Isabelle, die er außer ihr keinem Menschen erzählt hatte.
Pierce schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht glauben, und doch glaubte er es. Es passte alles zusammen. Er nahm an, sie war zu Elliot Bronson gegangen oder vielleicht auch zu Gil Franks, dem Chef von Midas Molecular. Vielleicht war sie auch zur DARPA gegangen. Es spielte keine Rolle. Fest stand nur, sie hatte ihn verraten, über das Projekt geredet und sich bereit erklärt, es zu stehlen oder wenigstens so lange zu verzögern, bis es von einem Konkurrenzunternehmen kopiert und noch vor Amedeo zum Patent angemeldet werden konnte.
Er schlang die Arme fest um seine Brust, und der Schwindelanfall ging vorüber.
Er brauchte einen Plan. Er musste eine Möglichkeit finden, seine Schlussfolgerungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, und dann auf die daraus gewonnenen Erkenntnisse reagieren. Es wurde Zeit für etwas AE, Zeit für Experimente.
Und dafür gab es nur eine Möglichkeit, wurde ihm klar. Er musste zu ihr gehen, sie zur Rede stellen, die Wahrheit herausfinden.
Er erinnerte sich an seinen Entschluss, aufzustehen und zu kämpfen. Er beschloss, gleich damit anzufangen. Er griff nach dem Telefon und rief in Jacob Kaz’ Kanzlei an. Es war schon spät, aber der Patentanwalt war noch in seinem Büro und ging schnell ans Telefon.
»Henry, Sie waren großartig heute«, sagte er statt einer Begrüßung.
»Sie waren auch nicht schlecht, Jacob.«
»Danke. Was kann ich für Sie tun?«
»Sind die Patentanmeldungen fertig?«
»Ja, schon eine ganze Weile. Ich bin gestern Abend damit fertig geworden. Jetzt müssen sie nur noch eingereicht werden. Ich fliege am Samstag an die Ostküste, besuche meinen Bruder in Maryland, vielleicht auch ein paar Freunde in Bailey’s Crossing, und am Montagmorgen reiche ich sie dann gleich als Erstes ein. Wie ich Maurice heute gesagt habe. Wie wir es abgemacht haben.«
Pierce räusperte sich.
»Jetzt müssen wir es aber doch anders machen.«
»Inwiefern? Wieso?«
»Jacob, ich möchte, dass Sie heute noch einen Nachtflug nehmen. Ich möchte, dass Sie die Patentanmeldungen gleich morgen früh einreichen. Sobald das Patentamt offen hat.«
»Henry, ich … das wird aber ziemlich teuer werden, heute Nacht so kurzfristig noch einen Flug zu kriegen. Ich fliege normalerweise Business Class, und das ist –«
»Es interessiert mich nicht, was es kostet. Es interessiert mich nicht, welche Klasse Sie fliegen. Ich möchte, dass Sie heute Nacht nach Washington fliegen. Und sobald Sie morgen früh die Anmeldungen eingereicht haben, rufen Sie mich an.«
»Stimmt irgendetwas nicht, Henry? Sie wirken ein bisschen –«
»Ja, es stimmt etwas nicht, Jacob. Deshalb möchte ich, dass Sie heute Nacht fliegen.«
»Ähm, möchten Sie darüber reden? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Sie können mir helfen, indem Sie sich schnellstmöglich in einen Flieger setzen und morgen früh die Patentanmeldungen einreichen. Ansonsten kann ich noch nicht darüber sprechen. Fliegen Sie einfach nur nach Washington, und reichen Sie die Patente ein. Und dann rufen Sie mich an. Es ist mir egal, wie früh es an der Ostküste ist. Rufen Sie mich an.«
»Okay, Henry, wie Sie meinen. Ich werde gleich alles Nötige veranlassen.«
»Wann macht das Patentamt auf?«
»Um neun.«
»Okay, dann sprechen wir uns kurz nach sechs unserer Zeit. Und noch etwas, Jacob.«
»Ja, Henry?«
»Erzählen Sie niemandem außer Ihrer Frau und den Kindern, dass Sie schon heute Nacht fliegen. Ja?«
»Äh … was ist mit Charlie? Er meinte vorhin, er würde mich eventuell heute Abend noch anrufen, um ein paar letzte –«
»Falls Charlie anruft, sagen Sie ihm nicht, dass Sie heute Nacht fliegen. Falls er nach Ihrem Abflug anruft, sagen Sie Ihrer Frau, sie soll ihm sagen, Sie hätten mit einem Mandanten ausgehen müssen. Ein Notfall oder so.«
Kaz schwieg eine Weile.
»Ist das für Sie in Ordnung, Jacob? Ich will damit nichts Nachteiliges über Charlie sagen. Es ist nur
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