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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ab, parkte an der ersten freien Parkuhr und stieg aus. Als er zum Strand zurückging, schaute er sich alle zehn Meter um, ob ihm jemand folgte. Als er die Kreuzung erreichte, blickte er sich noch einmal um und ging dann rasch die Treppe zu der Fußgängerunterführung hinunter, die unter dem Highway hindurch zum Strand führte.
    Die Wände der Unterführung waren eine Collage aus Graffiti, von denen Pierce einige wiedererkannte, obwohl es mindestens ein Jahr her war, seit er zum letzten Mal durch die Unterführung gegangen war. In glücklicheren Zeiten mit Nicole hatten sie sich sonntagmorgens regelmäßig die Zeitung und Kaffee besorgt und waren damit an den Strand gegangen. Aber im letzten Jahr hatte Pierce an den meisten Sonntagen an Proteus gearbeitet und für den Strand keine Zeit gehabt.
    Auf der anderen Seite gabelte sich die Unterführung in zwei separate Treppenaufgänge. Der hintere Aufgang kam am Sand nach oben, direkt neben dem Kanal, in dem das Wasser aus dem Canyon ins Meer ablief. Er nahm diese Treppe und kam in die Sonne hoch. Der Strand war leer. Er sah den gelben Posten der Rettungsschwimmer, an dem er und Nicole Zeitung gelesen und Kaffee getrunken hatten. Er sah ziemlich vernachlässigt aus. Pierce wollte es einfach sehen, sich daran erinnern, bevor er zu ihr hinauffuhr. Nach einer Weile kehrte er zum Eingang der Unterführung zurück und stieg die Treppe hinunter.
    Etwa nach einem Viertel der Strecke durch die fünfzig Meter lange Unterführung sah er auf der anderen Seite einen Mann die Treppe herunterkommen. Wegen des von oben einfallenden Lichts waren nur seine Umrisse zu erkennen. Plötzlich kam Pierce der Gedanke, dass der Mann Renner war. Dass ihm der Detective gefolgt war und ihn verhaften wollte.
    Der Mann kam näher; er bewegte sich rasch, war aber immer noch nicht zu erkennen. Inzwischen wirkte er groß. Oder zumindest stämmig. Pierce ging langsamer, aber ihm war klar, dass sich eine Begegnung nicht vermeiden ließe. Sich umzudrehen und wegzulaufen wäre eine lächerliche Demonstration von Schuldgefühlen.
    Als sie noch fünf Meter voneinander entfernt waren, räusperte sich der näher kommende Mann. Einen Schritt weiter war er schließlich zu erkennen, und Pierce sah, dass es nicht Renner war. Es war niemand, den er kannte. Der Mann war Anfang zwanzig und sah aus wie ein abgehalfterter Surfer. Er trug einen dicken Skianorak, der etwas deplatziert wirkte und vorne offen war, sodass man sehen konnte, dass er kein Hemd darunter anhatte. Seine Brust war glatt und gebräunt und unbehaart.
    »Hi, suchen Sie je- was haben Sie denn mit Ihrem Gesicht gemacht, Mann?«
    Pierce ging einfach, ohne zu antworten, an ihm vorbei. Früher war er in der Unterführung ab und zu angebaggert worden. Weil es in der Channel zwei Schwulenclubs gab, war das in dieser Gegend ganz normal.
    Als Pierce ein paar Minuten später losfuhr und in den Rückspiegel des BMW sah, entdeckte er niemanden, der ihm folgte. Seine Beklommenheit begann sich zu legen. Aber nur ein wenig. Er musste schließlich noch Nicole zur Rede stellen.
    An der Kreuzung, an der die Grundschule lag, bog er nach links in die Entrada und fuhr dann bis zum Amalfi Drive, der sich in scharfen Haarnadelkurven die Nordseite des Canyons hinaufwand. Als er an seinem ehemaligen Haus vorbeifuhr, warf er einen Blick in die Einfahrt und sah Nicoles alten Speedster im Carport stehen. Anscheinend war sie zu Hause. Er riss das Steuer herum und hielt am Straßenrand. Einen Moment saß er nur da und sammelte seine Gedanken und seinen Mut. Ein Stück die Straße hinunter sah er einen verbeulten alten Volkswagen mit einem Domino’s-Pizza-Schild auf dem Dach mit laufendem Motor – aus den zwei Auspuffrohren kam blauer Qualm – in einer Einfahrt stehen. Das erinnerte ihn daran, dass er hungrig war. Wegen des bevorstehenden Vertragsabschlusses mit Goddard war er so aufgedreht gewesen, dass er bei dem Büffet nach der Präsentation kaum etwas gegessen hatte.
    Aber im Moment musste das Essen warten. Er stieg aus dem Auto.
    Er trat in die Eingangsnische und klopfte an die Tür. Da es eine Glastür war, wüsste Nicole, dass er es war, sobald sie in die Diele kam. Aber die Glasscheibe war in beiden Richtungen durchsichtig. Er sah sie im selben Moment, in dem sie ihn sah. Sie zögerte, aber sie konnte jetzt nicht mehr so tun, als wäre sie nicht zu Hause. Sie kam an die Tür, schloss auf und öffnete sie.
    Doch dann blieb sie in der Öffnung stehen und ließ ihn nicht

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