Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
War das der Grund?«
»Du gibst wohl nie auf, wie? Nein, es hat nichts mit ihr zu tun.«
Pierce trank sein Bier aus. Er wollte nicht länger bleiben, weil ihm viel daran lag, dass sich Zeller sofort an die Arbeit machte. Aber Zeller schien es nicht eilig zu haben.
»Noch ein Bier, Commander?«
»Nein, danke. Ich muss nach Hause zurück. Meine Assistentin macht für die Möbelpacker den Babysitter. Außerdem machst du dich doch gleich an die Arbeit, oder nicht?«
»Aber sicher, Mann. Auf der Stelle.«
Er deutete in Richtung Arbeitsbereich.
»Im Moment sind alle meine Geräte belegt. Aber heute Abend geht es los. Ich rufe dich spätestens morgen Abend an.«
»In Ordnung, Code. Danke.«
Er stand auf. Sie pumpten sich gegenseitig die Hand. Blutsbrüder. Wieder Doomster.
11
Bis Pierce in seine Wohnung kam, waren die Möbelpacker schon weg, aber Monica war noch da. Sie hatte sie die Möbel auf eine Art und Weise aufstellen lassen, die akzeptabel war, aber wenig Rücksicht auf den Blick aus den beiden großen Panoramafenstern in Wohn- und Esszimmer nahm. Aber das störte Pierce nicht weiter. Er würde sowieso wenig Zeit in der Wohnung verbringen.
»Sieht gut aus«, sagte er. »Danke.«
»Keine Ursache. Hoffentlich gefällt Ihnen alles. Ich wollte gerade gehen.«
»Warum sind Sie überhaupt so lange geblieben?«
Sie hielt mit beiden Händen ihre Zeitschriften hoch.
»Ich wollte eine Zeitschrift noch zu Ende lesen.«
Pierce verstand nicht ganz, warum sie dazu in der Wohnung hatte bleiben müssen, ging aber nicht weiter darauf ein.
»Monica, da ist nur noch eines, worum ich Sie bitten möchte, bevor Sie gehen. Setzen Sie sich doch noch einen Moment.«
Monica sah aus, als wäre sie über die Bitte verärgert. Wahrscheinlich erwartete sie, noch einmal aufgefordert zu werden, sich als Lilly Quinlan auszugeben. Trotzdem setzte sie sich in einen der Lederclubsessel, die sie zu seiner Couch bestellt hatte.
»Okay, und was wäre das?«
Pierce setzte sich auf die Couch.
»Wie lautet die genaue Bezeichnung Ihres Postens bei Amedeo Technologies?«
»Wie meinen Sie das? Das wissen Sie doch.«
»Ich will aber sehen, ob Sie es auch wissen.«
»Persönliche Assistentin des Firmenchefs, wieso?«
»Weil ich sicher gehen wollte, dass Sie nicht vergessen haben, dass es persönliche Assistentin, nicht nur Assistentin heißt.«
Sie blinzelte und sah ihm lange in die Augen, bevor sie erwiderte: »Also schön, Henry, worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will darauf hinaus, dass ich nicht begeistert bin, wenn Sie Charlie Condon alles über die Probleme mit meiner Telefonnummer erzählen und was ich deswegen unternehme.«
Sie setzte sich kerzengerade auf und sah ihn entgeistert an, aber sie war keine gute Schauspielerin.
»Habe ich doch gar nicht.«
»Da hat er was anderes behauptet. Und wenn Sie es ihm nicht erzählt haben, woher wusste er es dann, nachdem er mit Ihnen gesprochen hatte?«
»Na ja, also, ich hab ihm nur erzählt, dass Sie die frühere Nummer dieser Prostituierten bekommen haben und ständig irgendwelche Anrufe kriegen. Irgendetwas musste ich ihm doch sagen; als er nämlich anrief, erkannte ich seine Stimme nicht sofort, und er erkannte meine auch nicht, und er wollte wissen: ›Mit wem spreche ich, bitte?‹, und ich wurde etwas unfreundlich, weil ich dachte, Sie wissen schon, er riefe wegen Lilly an.«
»Aha.«
»Und mir fiel nicht gleich eine Ausrede ein. In so was bin ich nicht so gut wie bestimmte Leute. Lügen, angewandte Psychologie, oder wie man es auch nennt. Deshalb habe ich ihm die Wahrheit gesagt.«
Fast hätte Pierce erwähnt, dass sie ihm zu Beginn ihres Gesprächs ganz gut vorgemacht hatte, sie hätte Charlie nichts erzählt, beschloss dann aber, die Situation nicht weiter zu verschärfen.
»Und das war alles, was Sie ihm erzählt haben? Dass ich die Telefonnummer dieser Frau bekommen habe? Mehr nicht? Haben Sie ihm nicht erzählt, wie Sie mir ihre Adresse beschafft haben und dass ich zu ihrem Haus gefahren bin?«
»Nein, habe ich nicht. Was soll daran außerdem so schlimm sein? Ich dachte, Sie beide wären Partner.«
Sie stand auf.
»Kann ich jetzt bitte gehen?«
»Monica, setzen Sie sich bitte noch einen Moment.«
Er deutete auf den Sessel, und sie nahm widerstrebend wieder Platz.
»Das Schlimme daran ist, dass ein paar unbedachte Worte oft ungeahnte Folgen haben können, ist Ihnen das klar?«
Sie zuckte die Achseln und sah ihn nicht an.
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