Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
mit denen wir konkurrieren, ist Folgendes: Wir versuchen völlig neuartige Computerchips aus Molekülen zu entwickeln. Eine komplette Schaltung ausschließlich aus organischen Molekülen zu bauen. Einen Computer, der eines Tages aus einer Tonne mit Chemikalien kommt, einen Computer, der sich selbst zusammenbaut, wenn man nur das richtige Rezept in die Tonne gibt. Die Rede ist von einem Computer ohne Silizium oder magnetische Teilchen. Erheblich weniger teuer in der Herstellung und unermesslich viel leistungsfähiger – ein Teelöffel voll Moleküle könnte dann mehr Daten speichern als der größte heute existierende Computer.«
Sie wartete, um sicher zu gehen, dass er fertig war.
»Wow«, sagte sie, aber es hörte sich nicht sehr überzeugend an.
Pierce lächelte über ihre Borniertheit. Er hatte sich wahrscheinlich zu sehr wie ein Vertreter angehört. Wie Charlie Condon, um genau zu sein. Er beschloss, es noch einmal zu versuchen.
»Wissen Sie, wie ein Computer Daten speichert, Monica?«
»Na ja, klar, ich schätze schon.«
An ihrem Gesicht konnte er sehen, dass sie nur so tat. Heutzutage waren Dinge wie Computer für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit, aber die wenigsten wussten, wie sie funktionierten.
»Die Funktionsweise eines Computers«, fuhr er fort, »basiert auf einer Aneinanderreihung von Einsen und Nullen. Jedes Datenelement, jede Ziffer, jeder Buchstabe besteht aus einer bestimmten Abfolge von Einsen und Nullen. Reiht man diese Abfolgen aneinander, erhält man ein Wort oder eine Zahl und so weiter. Vor vierzig, fünfzig Jahren war ein Computer von der Größe dieses Zimmers nötig, um simple Rechenaufgaben zu lösen. Inzwischen erledigt das ein Siliziumchip.«
Er hielt Daumen und Zeigefinger, etwa einen Zentimeter voneinander entfernt, in die Höhe. Dann drückte er sie zusammen.
»Aber es geht noch kleiner«, sagte er. »Wesentlich kleiner.«
Sie nickte, aber er wusste nicht, ob der Groschen bei ihr gefallen war oder ob sie nur so nickte.
»Moleküle«, sagte sie.
Er nickte.
»Ganz richtig, Monica. Und glauben Sie mir, wem das als Erstem gelingt, der wird die Welt verändern. Es ist durchaus vorstellbar, dass wir einmal einen Computer bauen werden, der kleiner ist als ein Siliziumchip. Nehmen Sie einen Computer, der heute ein ganzes Zimmer ausfüllt, und reduzieren Sie ihn auf die Größe eines Dime, eines Zehncentstücks. Das ist unser Ziel. Deshalb sprechen wir im Labor immer von der Jagd nach dem Dime. Das haben Sie doch sicher schon ab und zu gehört.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber was sollte man mit einem Computer von der Größe einer Münze schon groß anfangen können? Man könnte ja gar nichts davon ablesen.«
Pierce begann zu lachen, hörte aber sofort wieder auf. Er musste diese Frau auf seine Seite bringen und dafür sorgen, dass sie nichts ausplauderte. Er durfte sie nicht beleidigen.
»Das ist nur ein Beispiel. Es ist eine Möglichkeit. Der entscheidende Punkt ist, dass die Rechen- und Speicherleistung dieser Art von Technologie unbegrenzt ist. Sie haben völlig Recht, niemand will oder braucht einen Computer von der Größe einer Münze. Aber überlegen Sie mal, was für einen Fortschritt das für einen Palm Pilot oder einen Laptop bedeuten würde. Was wäre, wenn Sie so ein Gerät nicht mehr mitschleppen müssten. Wenn Ihr Computer in einem Hemdknopf oder in Ihrem Brillengestell wäre? Wenn der Desktop in Ihrem Büro nicht auf Ihrem Schreibtisch, sondern in der Farbe an den Bürowänden wäre? Wenn Sie mit den Wänden sprechen könnten und diese antworten würden?«
Sie schüttelte den Kopf, und er konnte sehen, dass sie das Potenzial und die Anwendungsmöglichkeiten noch immer nicht begriffen hatte. Sie konnte sich nicht von der Welt lösen, die sie gegenwärtig kannte und verstand und akzeptierte. Er griff in die Gesäßtasche und zog seine Geldbörse heraus. Er nahm die American-Express-Karte heraus und hielt sie hoch.
»Was wäre, wenn diese Karte ein Computer wäre? Was wäre, wenn sie einen Speicherchip enthielte, so leistungsfähig, dass er jeden Kauf, der über dieses Konto getätigt wird, zusammen mit Datum, Uhrzeit und Ort der Transaktion registrieren könnte? Und zwar für die gesamte Lebensdauer seines Besitzers, Monica. Ein unerschöpfliches Speicherpotenzial in diesem kleinen Stück Plastik.«
Monica zuckte die Achseln.
»Das wäre wahrscheinlich nicht schlecht.«
»Davon sind wir nicht einmal mehr fünf Jahre entfernt. Molekulares
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