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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gewöhnt, aber alte Leute wie die Hobies werden sich nie damit abfinden, das können Sie mir glauben!«
    Er verfiel in Schweigen, während sein Blick geistesabwesend zwischen dem leeren Pick-up und den vollen Regalen hin und her wanderte. »Hey, Sie haben eine ganze Tonne Zement bewegt. Wollen Sie mit reinkommen, sich die Hände waschen und sich von mir ein Mineralwasser spendieren lassen?«
    »Ich muss was essen«, antwortete Reacher. »Ich habe noch kein Mittagessen gehabt.«
    Steven nickte, dann lächelte er. »Am besten fahren Sie nach Süden weiter. Gleich hinter dem Bahnhof finden Sie einen Schnellimbiss. Dort haben wir am Samstagabend um halb neun unsere Milkshakes getrunken und sind uns praktisch wie Frank Sinatra vorgekommen.«

    Der Schnellimbiss hatte sich offenbar viele Male verändert, seit wagemutige Jungen mit Baseballkarten in den Speichen ihrer Fahrräder dort an Samstagabenden ihre Milkshakes schlürften. Jetzt war er ein Billiglokal aus den siebziger Jahren - niedrig, quadratisch, Klinkerfassade, grünes Dach -, das im Stil der Neunziger mit grellrosa und blauen Leuchtreklamen in sämtlichen Fenstern aufgepeppt war. Reacher nahm die Ledermappe mit, zog die Tür auf und trat in eiskalte Luft, die nach Hamburger und einem starken Desinfektionsmittel roch, mit dem in solchen Lokalen die Tische abgewischt werden. Er setzte sich an die Theke. Eine fröhliche Mittzwanzigerin brachte ihm Besteck, Papierserviette und eine Speisekarte von der Größe einer Reklametafel, auf der alle Gerichte auch farbig abgebildet waren. Er bestellte einen Halbpfünder, englisch gebraten, mit Schweizer Käse, Kohlsalat und Zwiebelringen, und wäre jede Wette eingegangen, dass der Hamburger nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Farbfoto aufweisen würde. Dann trank er sein Eiswasser und ließ sich nachschenken, bevor er die Ledermappe aufklappte.
    Er konzentrierte sich auf Victors Briefe an seine Eltern. Insgesamt enthielt die Mappe siebenundzwanzig: dreizehn aus seiner Ausbildungszeit, vierzehn aus Vietnam. Sie bestätigten alles, was er von Ed Steven gehört hatte. Grammatikalisch korrekt, orthografisch richtig, schlichte, klare Ausdrucksweise. In der Schrift geschrieben, die alle amerikanischen Schülergenerationen zwischen den zwanziger und sechziger Jahren gelernt hatten - allerdings leicht rückwärts geneigt. Die Schrift eines Linkshänders. Keiner der siebenundzwanzig Briefe war länger als knapp eineinviertel Seiten. Ein Mensch, der wusste, dass es als unhöflich galt, einen Privatbrief auf der ersten Seite zu beenden. Ein höflicher, pflichtbewusster, linkshändiger, langweiliger, konventioneller, normaler Mensch mit solider Ausbildung, aber bestimmt kein Uberflieger.
    Die Bedienung servierte ihm den bestellten Hamburger. Er war an sich ausreichend groß, unterschied sich aber sehr von der riesigen Mahlzeit auf dem Farbfoto in der Speisekarte. Der Kohlsalat schwamm in einer Pappschale in weißem Essig; die Zwiebelringe waren aufgedunsen und gleichmäßig geformt wie kleine braune Autoreifen. Der Schweizer Käse war so dünn geschnitten, dass man hindurchsehen konnte, aber immerhin schmeckte er nach Käse.
    Das in Fort Rucker nach der Verleihung des Pilotenabzeichens aufgenommene Foto war schwieriger zu interpretieren. Es war nicht ganz scharf, und unter dem Mützenschirm lagen Victors Augen in tiefem Schatten. Er hielt die Schultern gestrafft, und sein Körper war sichtbar angespannt. Vor Stolz fast platzend oder seiner Mutter wegen verlegen? Das war schwer zu beurteilen. Aufgrund der Mundform entschied Reacher sich zuletzt für Stolz. Er war mit leicht herabgezogenen Mundwinkeln zu einer schmalen Linie zusammengepresst, um ein freudiges Grinsen zu unterdrücken. Dieses Foto zeigte einen jungen Mann auf dem Höhepunkt seines bisherigen Lebens. Alle Ziele erreicht, alle Träume verwirklicht. Zwei Wochen später war er nach Übersee unterwegs. Reacher blätterte in den Briefen, um den aus Mobile zu suchen. Kurz vor dem Auslaufen in einer Koje sitzend geschrieben. Nach dem Ablegen des Schiffs von einem Marineschreiber aufgegeben. Nüchterne Sätze, eineinviertel Seiten lang. Rigoros im Zaum gehaltene Emotionen. Dieser Brief sagte überhaupt nichts aus.
    Reacher zahlte und gab der Bedienung zwei Dollar Trinkgeld, weil sie so fröhlich war. Hätte sie an dem Tag, an dem sie in den Krieg zog, eineinviertel Seiten Belanglosigkeiten nach Hause geschrieben? Nein, sie wäre niemals in den Krieg gezogen. Victors

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