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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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verdienen.«
    Diese alten verrottenden Häuser sind die letzte Barriere in einer Stadt, deren modernes Bauwesen aus dem Ruder gelaufen ist. Die Haie umkreisten diese Gebäude, warteten auf eine Gelegenheit – einen Todesfall in der Familie, eine Pleite –, und sobald sich jemand am Fenster zeigte, wurde er mit Geld zugeschissen und das Angebot komplettiert. Danach werden dem Haus die Gedärme herausgerissen, oder es wird dem Erdboden gleichgemacht, und presto gibt es noch eine Garnitur Luxusapartments, die bei jedem neuen Einkauf hässlicher werden.
    Mir gefielen diese Häuser, wie sie waren: zugige Korridore, hohe Decken, Schimmel in den Ecken, Feuchtigkeit, die die Wände hochkroch, überaus verdächtige Fußböden und die sanitären Anlagen – gar nicht dran denken. Um das zu erneuern, müsste man im Lotto gewinnen. Und kalt – in diesen Buden ist es immer saukalt. Es ist eine bizarre Tatsache, dass die Reichen, die Anglo-Iren, sämtlich Häuser haben, in denen man sich die Nüsse abfrieren würde. Deshalb tragen sie immer Barbours und dicke Wollschals und sind natürlich ständig auf Fuchsjagd.
    Der Mister, bei dem ich meinen Termin hatte, war Mr Keating. Er trug einen Tweedanzug – für diese Burschen sind weiße Kittel nichts – und behandelte mich mit milder Verachtung, die an Sarkasmus grenzte. Er machte eine ganze Reihe von Tests, und ich schwöre, wie der Arzt, der Cody untersucht hatte, stieß er diese Ts-ts-Laute aus, die, hatte ich gedacht, nur in den Romanen von P. G. Wodehouse vorkommen.
    Schließlich war er fertig. Er führte die Hand ans Kinn und fragte: »Haben Sie je einen heftigen Schlag gegen den Kopf bekommen?«
    Einen irren Moment lang glaubte ich, er bedroht mich, aber dann wurde mir klar, dass es sich um eine echte Frage handelte.
    Ich … einen heftigen Schlag gegen den Kopf. Wer zählt die Völker, nennt die Namen, o Herr.
    Ich sagte: »Habe mal Hurling gespielt.«
    Er lächelte, kann aber auch ein schmerzhaftes Verziehen des Mundes gewesen sein. »Und da Sie der Macho-Typ sind, haben Sie zweifellos keinen Helm getragen?«
    Scheiße, wir konnten kaum die Hurlingschläger bezahlen. Helme? Aber hallo.
    Er sagte: »Vielleicht schicke ich Sie noch zu einer MRI , aber ich bin ziemlich sicher, dass meine Diagnose stimmt.« Er hielt inne, und ich fragte mich, ob ich wohl würde raten müssen. Dann fuhr er fort: »Ihr linkes Ohr, als Folge einer Verletzung, oder auch nur als Alterserscheinung, zeigt degenerative Anzeichen – sehr rapide degenerativ –, und in kurzer Zeit werden Sie mit diesem Organ vollständig taub sein.«
    Degenerativ.
    Was für ein ekelhaftes Scheißwort.
    Er begann, auf einen Block zu kritzeln.
    »Hier ist der Name eines sehr guten Hörhilfe-Mannes. Er wird Ihnen ein passendes Gerät anfertigen.«
    Ich versuchte zu kapieren. »Ich muss eine Hörhilfe tragen?«
    Jetzt lächelte er.
    »Auf diesem Gebiet wurden enorme Fortschritte gemacht. Die neuesten Modelle sind kaum wahrnehmbar.«
    Das konnte er leicht sagen.
    Und das war’s.
    Er sagte: »Meine Sekretärin wird das mit der Liquidation regeln.«
    Natürlich. Das hörte ich ohne Schwierigkeiten.
    Ich war an der Tür, als er hinzufügte: »Wenn Sie sich gezwungen fühlen, weiterhin Hurling zu spielen, benutzen Sie bitte einen Helm.«
    Ich konnte nicht widerstehen, sagte: »Bisschen spät, meinen Sie nicht?«
    Ich traf Eoin Heaton. Wenn das möglich war, wirkte er noch ungepflegter als zuvor, und der Schnaps kam ihm förmlich durch die Haut getropft. Ein schaler, verzweifelter Geruch.
    Er eröffnete mit: »Ich war an dieser Hundesache dran, praktisch Tag und Nacht.«
    Klar.
    Ich starrte ihn an. Es war wie ein Blick in den Spiegel, all die Tage, all die Foltertage in ähnlichem Zustand. Wir waren in einem Coffeeshop in einer Seitenstraße nahe der Abteikirche. Der Besitzer des Ladens war ein Russe, der ihn einem Basken abgekauft hatte. Man muss sich fragen, wo sind all die Iren abgeblieben? Wir mögen reich geworden sein, aber wir waren auch in der Minderzahl. Die letzten Erhebungen zeigten, dass bis 2010 eine Million Ausländer in Irland leben würden.
    Heaton nahm einen schwarzen Kaffee, und ich optierte für latte, was schaumige Milch ist, verkleidet als Kaffein.
    Heaton versuchte, die Tasse an seine Lippen zu führen, aber seine Hände zitterten zu stark. Er sagte: »Ich hätte einen Geradebieger trinken sollen.«
    Womit er einen Katerschluck meinte, »ein Haar vom Hund, der dich gebissen hat« und wie all die anderen

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