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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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Euphemismen lauten, die das tödliche Rütteln des Alkoholismus in voller Fahrt bemänteln.
    Er griff in seine Tasche, fragte: »Würde es Ihnen was ausmachen, Jack?«, und steckte mir eine kleine Flasche Paddy zu.
    Die kleine Flasche, die, wäre sie für mich gewesen, meinen Hinrichtungsbefehl enthalten hätte, sah so unschuldig aus. Ich schraubte den Deckel ab, warf einen kurzen Blick auf den Besitzer, der beschäftigt war, und schüttete dann den Schnaps in seine Tasse. Paddy ist einer der stärksten Whiskeys, und der Duft war überwältigend. Ich hielt Heaton die Tasse an die Lippen, und es gelang ihm, sie halb auszutrinken, dann machte er den Totenmanntanz aus Gewürge, Geglucker, Gegurgel, Grimasse. Schließlich gelang es ihm zu äußern: »Ich glaube … glaube, vielleicht bleibt er unten.«
    Und unten blieb er, obschon recht knapp.
    Dann der Wetterumschwung, innerhalb von Minuten.
    Wie bei einem dämonischen Wunder wich alle Dunkelheit, und das kam von keiner Lichtquelle. Seine Augen hörten auf zu triefen, eine rosige Farbe breitete sich auf seinem Gesicht aus, und die Hände waren nicht mehr hibbelig. Er veränderte sich physisch, bekam eine straffe Haltung und einen Zug von Trotz um den Mund. Aber ich wusste – Heiland, wie gut ich es wusste –, wie kurzlebig das sein würde.
    Ich hörte ihn fragen – nein, bölken: »Schwerhörig, oder was?«
    Genau.
    Ich fragte: »Was?«
    Er seufzte: »Ich habe zweimal mit Ihnen gesprochen, und Sie haben nicht reagiert.«
    Wenn ich ihm mein rechtes Ohr zuwandte, konnte ich ihn besser hören, also wandte ich ihm mein rechtes Ohr zu und sagte: »Bitte noch mal laufen lassen.«
    Übertrieben langsam sagte er: »Der Fall, auf den Sie mich angesetzt haben? In Newcastle wurden zwei weitere Hunde gestohlen.«
    Sarkasmus troff ihm von der Lippe.
    Wenn er sich mit mir anlegen wollte, war er genau an den Richtigen geraten.
    Ich schnappte: »Und was unternehmen Sie? Heiland, Sie waren mal Polizist, und jetzt finden Sie einen Hundedieb nicht?«
    Er torkelte von dem Schlag. Die Kraft des Paddy hat Grenzen.
    Er stammelte: »Es … es … dauert seine Zeit, bis ich meinen Kack wieder zusammenhabe.«
    Ich ließ nicht locker, sagte: »Wenn es zu viel für Sie ist, kann ich jemand anderen kriegen, jemanden, der nicht nach abgestandenem Schnaps stinkt.«
    Ich hatte ihn gekränkt, und es tat mir nicht leid, kein einziges verdammtes bisschen leid.
    Er versuchte es mit: »Ich bin dran, Jack. Ich schwöre bei Gott, ich kriege das hin. Ich lasse Sie nicht im Stich.«
    Ich warf ein paar Scheine auf den Tisch, und als er sie begaffte, sagte ich: »Für den Kaffee.«
    Seine Augen waren die eines Kindes mit gebrochenem Herzen, als er fragte: »Könnten Sie mir vielleicht einen kleinen Vorschuss zahlen?«
    Ohne auch nur einen Takt zu verpassen, erwiderte ich: »Den Sie dann gegen eine Mauer pissen können? Bringen Sie mir Resultate, und dann sehen wir weiter.«
    Als ich ging, sagte er: »Sie sind ein knallharter Schweinehund.«
    Ich lächelte: »Dabei habe ich heute einen guten Tag, Kumpel.«
    Und dann die Stille … Aus dem Nirgendwo war ich plötzlich in diese unheimliche Stille eingehüllt, als hätte alles aufgehört. Zuerst dachte ich, das kommt vielleicht von der Ohrenuntersuchung, späte Nachwirkung, posttraumatisch, irgend so was. Aber nein, es war eine äußerste Lautlosigkeit, die Sorte, die Überlebende beschreiben, wenn sie versuchen, die Momente vor einer Katastrophe zu schildern. Ich konnte buchstäblich nichts hören. Ich ging, hörte aber meine Füße auf dem Bürgersteig nicht. Ich war beunruhigt, aber noch nicht panisch. Und dann …
    Dann schrillte mein Handy.
    Ich zog es aus der Tasche, merkte, dass mein Herz wummerte, drückte auf den kleinen grünen Knopf.
    »Mr Taylor?«
    »Ja?«
    »Hier ist Dingsbums vom Sowieso-Krankenhaus. Kommen Sie am besten schnell her.«
    »Was, ist was mit Cody? Geht es ihm gut?«
    »Kommen Sie bitte, so schnell Sie können, hierher, Mr Taylor.«
    Aufgelegt.
    Ich glaube nicht mehr sehr an irgendwas, probierte es aber: »O Gott, lass es ihm gut gehen. Ich werde mich bessern.«
    Was ich mit »bessern« meinte? Keine Ahnung.

11
    … und schmore in der Hölle.

M aria Willis kam einfach nicht über den Tod ihres Bruders hinweg. Dass er gekreuzigt worden war, verstärkte das Grausen nur noch. John war eine freundliche Seele gewesen. In einer Welt voll Chaos, Grausamkeit und schierer Gleichgültigkeit war er fast kindlich geblieben. Sie hatte immer den

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