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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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sich ein Ehepaar, und die Krankenschwester sagte: »Das sind Codys Eltern.«
    Sie hatten den Blick. Diesen entsetzlichen Gesichtsausdruck schieren Unglaubens.
    Der Mann, Ende sechzig, trug einen guten Anzug, das Gesicht eine Maske der Wut, knurrte: »Sie sind Jack Taylor?«
    Ich nickte, taumelte noch vom Einleitungstext der Krankenschwester.
    Er spuckte mir ins Gesicht.
    »Sie haben unseren Sohn umgebracht, Sie Schweinehund.«
    Seine Frau zog ihn weg, und während sie ihn den Flur entlangzerrte, rief er: »Ich hoffe, Sie brennen in der Hölle.«
    Und einen Lidschlag lang war es ganz still – einer dieser Momente reiner Ruhe, wenn ein Menschenwesen mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde. Alle Anwesenden gefroren zu einem Tableau schieren Schocks.
    Meine Beine begannen zu zittern, damit meine ich kein leichtes Wackeln, ich meine den voll fetten Tremor, der einen größeren Kollaps ankündigt.
    Die nächste Stunde, falls es eine Stunde war, ist verschwommen. Ich glaube, ich habe gefragt, ob ich Cody sehen kann, aber ich bin nicht sicher. Aus irgendeinem bizarren Grund fand ich mich dann unten im Café wieder, eine Tasse Kaffee vor mir und Verwüstung ringsum.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Ich blickte auf und sah eine Frau Ende vierzig, mit gutem, massivem Gesicht, langem schwarzem Haar, großen Augen und – seltsam, wie der Geist manchmal funktioniert – einem leichten Akzent. Englisch war nicht ihre Muttersprache.
    Fast klang es anklagend: »Sie sind keine Irin?«
    Sie lächelte ein wenig. »Brauchen Sie jemanden, der aus Irland stammt?«
    Was sollte das denn jetzt scheißeaberauch?
    Ich sagte: »Ich brauche gar niemanden.«
    Ganz kurz sah es so aus, als würde sie meine Hand berühren, und das wäre ein großer Fehler gewesen. Stattdessen sagte sie: »Sie leiden. Haben Sie jemanden verloren?«
    Mein ältester Verbündeter, die Wut, wartete darauf zuzuschlagen. Ich ließ den Hund von der Leine und schnappte: »Wer sind Sie scheißenochmal überhaupt? Lassen Sie mich zufrieden.«
    Sie stand auf, sagte: »Ich heiße Gina. Ich spüre, dass Sie ein guter Mensch sind, und ich kann Ihnen helfen«, und streckte mir eine Visitenkarte entgegen.
    Ich sagte: »Spüren Sie dies – ich möchte, dass Sie sich verpissen.«
    Sie verpisste sich.
    Keine Ahnung, warum – vielleicht aus Wahnsinn –, aber ich steckte die Karte in meine Jacke.
    Dann war ich draußen, und es regnete heftig. Ich maulte: »Prima, hoffentlich hole ich mir den Tod.«
    Draußen vor dem Krankenhausportal verdüsterte eine veritable Rauchwolke fast den Eingang. Das kam nicht vom Wetter, nein … die Raucher hatten sich zusammengeklumpt wie verängstigte Aussätzige. Das Rauchverbot gab es jetzt seit einem Jahr, und diese Gruppen von Geächteten waren ein vertrauter Anblick geworden, im Winter erfroren, lachend im Sommer – wenn man denn den irischen Sommer als Sommer bezeichnen mag.
    Ein neuer Begriff war geprägt worden, als überall die Nikotinromanzen gediehen. Die Menschen kamen ins Gespräch; man war in der Sucht verbündet, gesellschaftliche Barrieren, die zu überwinden sonst viel länger gedauert hätte, gingen buchstäblich in Rauch und Flammen auf, und dieses Flirten nannte man Slirting – aus smoking und flirting gebildet –, zu Deutsch so was wie Flauchen.
    Ich griff nach meinen Lullen, und mir fiel ein, dass ich nicht mehr rauchte, auch nicht mehr trank. Nein, ich hatte zu viel damit zu tun, alle umzubringen, die mir etwas bedeuteten.
    Wenn einer der Raucher meine Geste bemerkt und mir eine angeboten hätte, hätte ich sie wahrscheinlich genommen. Mein Blick ruhte fest auf dem River Inn, deutlich von da aus zu sehen, wo ich stand. Ich setzte mich in Bewegung.
    Ich war beim Krankenhaustor, als ich hörte:
    »Jack?«
    Und jetzt, Scheiße, was?
    Ein Mann Anfang dreißig, gut, aber leger gekleidet, gut aussehender Typ – hatte so was Misstrauisches. Das war es, was mein Gedächtnis in Gang setzte.
    »Stewart?«
    Mein früherer Drogendealer. Er war verhaftet worden, hatte sechs Jahre gekriegt und mich dann gemietet, weil ich den angeblichen Unfalltod seiner Schwester untersuchen sollte. Dieser Fall war einer meiner schlimmsten gewesen und führte zum Tod von Serena May, dem Kind mit Down-Syndrom, der Tochter von Jeff und Cathy.
    Er lächelte, ein Lächeln ohne Wärme. Ich vermute, wenn man eine harte Zeit im Knast absitzt, gehört Wärme anschließend nicht mehr unbedingt zu den Charakteristika, die man vornehmlich aufweist. Als ich ihn im

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