Jack Taylor fährt zur Hölle
Kneipe, mir jedenfalls neu, McSwiggan’s am Wood Quay. Klingt sogar wie eine anständige Pinte.
Es wächst ein Baum in Brooklyn.
Und drinnen bei McSwiggan’s ebenfalls.
Verarsche sei mir fern. Peng hinten in der Kneipe ein bildhübscher massiver Baum. So was gibt es nur in Irland. Fäll den Baum nicht, aber bau die Kneipe. Ich mochte sie jetzt schon. Riesenschuppen. Ich setzte mich in die Nähe des Baumes.
Wer hätte das nicht getan?
Hatte zwei Schluck in mein Guinness gegraben, als sich eine Frau näherte. Ich dachte:
»Was für eine Kneipe.«
Dann registrierte ich die ordentlichen winzigen Perlohrringe. Ban garda, weibliche Polizei.
Man braucht keine Polizistin zu sein, um sie zu tragen, aber ban gardaí haben, wenn sie sie anlegen, ein gewisses Stilprinzip, welches sagt:
»Also okay, ja, ich bin Polizistin, aber, hey, feminin bin ich auch.«
Ihr Alter verschwamm irgendwo im Dreißigerbereich, der mit Make-up unkenntlich gemacht werden kann. Ein hübsches Gesicht, sehr dunkles Haar und Stahl um die Kinnpartie. Sie sagte:
»Jack Taylor.«
Keine Frage, eine Feststellung. Ich sagte:
»Bullenhitze hier, was?«
»Darf ich mich setzen?«
»Wenn Sie sich benehmen.«
Schimmer eines Lächelns. Sie sagte:
»Von Ihrer Klappe habe ich schon gehört.«
Sie sprach Englisch, wie sie das tun, wenn sie in der Gaeltacht aufgewachsen sind, den westlichen Landesteilen, wo noch Irisch gesprochen wird. Englisch ist dort erste Fremdsprache. Kommt nie so ganz fließend. Ich sagte:
»Connemara?«
»Furbo.«
»Und von meiner Klappe haben Si e … vo n … mal überlege n … Polizeipräsident Clancy gehört?«
Stirnrunzeln, dann Kopfschütteln.
»Nei n … Von andere n … Aber nicht von ihm.«
Ihre Klamotten waren gut, aber nichts Besonderes. Marinepullover mit weißem Kragen, dunkelblaue Jeans und frisch-weiße Trainingsschuhe. Keinerlei Designerkram, mehr Penny’s als Gucci. Abgetragen, aber gut in Schuss gehalten. Wie ihr Leben, nahm ich mal an. Sie würde nie aus dem dritten Glied vorrücken. Sie fragte:
»Woher haben Sie gewusst, dass ich eine ban garda bin?«
»Ich war mal Polizist.«
Darauf ein blendendes Lächeln. Verwandelte ihr Gesicht. Ein Mix aus ausgelassen und aufgeräumt, die allerbeste Sorte, sagte:
»Das weiß ich doch.«
Sie trank etwas Orangefarbenes im Glas, mit massig Eis. Jede Wette, es war Britvic plus garnix. Na, das war ja mal ein vernünftiges Mädchen. Saufen höchstens an Wochenenden und nie tödlich. Ich fragte:
»Was wollen Sie?«
»Reden.«
Ich war mit Lächeln an der Reihe, aber ohne Ausgelassenheit oder gar Wärme, die Art Lächeln, die man in Templemore beigebracht kriegt. Ich fragte:
»Worüber?«
Sie sah sich rasch um, und ich dachte:
»Na, worüber? Koks, Pillen, Suff?«
»Das Magdalenenstift.«
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich sagte:
»Oh.«
»Sie haben den Boden unter den Füßen verloren. Ich kann helfen.«
Ich nahm einen langen Schluck von meiner pint, spürte, wie er mir den Magen massierte. Ich fragte:
»Und warum würden Sie helfen wollen?«
Kurz flitzten Schatten über ihr Gesicht, dann:
»Weil es angebracht ist.«
Ich leerte mein Glas gründlich, fragte:
»… Ihnen was mitbringen?«
»Nein, danke.«
»Wie heißen Sie?«
»Brí d … Bríd Nic an Iomaire.«
Musste ich erst mal verdauen, tief ins alte Gedächtnis greifen, um es zu übersetzen, sagte:
»Welle, Wulst, Bergkam m … Stimmt’s?«
Sie sah angewidert drein, sagte:
»Welle, Wulst, Bergkam m … Wir verwenden diese englischen Wörter nicht.«
»Warum überrascht mich das nicht?«
Ich stand auf.
»Sie gehen schon?«
»Kein Wunder, dass Sie Polizistin sind.«
»Aber haben Sie nicht gewusst, dass Polizeipräsident Clancys Tante Nonne in der Wäscherei war?«
Ich versuchte, meine Überraschung nicht zu zeigen, und sie sagte:
»Sehen Sie: die Polizei, dein Freund und Helfer.«
»Liebchen, es ist elend lang her, dass ich mit der Polizei befreundet war. Und geholfen hat sie mir noch nie.«
»Sie machen einen Fehler.«
»Glauben Sie mir, das kann ich am besten.«
»So, wie sie darüber dachte, waren solche Missgeschicke
intim mit der Intelligenz des Betroffenen verbunden.
Gewalt stieß Leuten zu, die, im Gegensatz zu ihr,
nicht genug gesunden Menschenverstand besaßen,
ihr aus dem Weg zu gehen.«
Louise Doughty, Honey-Dew
Z wei Tage später war ich alkoholfrei, aber voll der Droge. Die doppelte Pillendosierung hatte mich so milde gestimmt, dass mich kein Mantra mehr traf.
Weitere Kostenlose Bücher