Jack vs Chris
Antwort.
„Alles in Ordnung?“, versuche ich ihm weiter in die Augen zu sehen, doch er windet sich regelrecht aus meinem Blick.
Wortlos fängt Theo an, sich die Schuhe abzustreifen und die Jacke auszuziehen. Die blauen Flecken an den Unterarmen kann man gar nicht übersehen und ich atme tief durch. Dieser verdammte Mistkerl. Innerlich könnte ich heulen vor Wut und Verzweiflung. Doch noch etwas anderes regt sich in mir, drängt mein Ich nach hinten und lässt mich lächeln.
„Den hole ich mir, versprochen!“, höre ich mich in Gedanken sagen und erschaudere.
Es muss aufhören, diese Gedanken, diese Schmach, alles muss endlich ein Ende haben. „Wird es, wenn alles im Reinen ist“, jetzt werde ich auch noch verrückt, ob ich zu einem Psychologen sollte? Meine Gedanken werden von den Kindern abgelenkt, die sich langsam in die Gruppen verteilen und eins beschließe ich noch. Heute Abend gehe ich aus. Ich werde mir meinen Frust, das schlechte Gewissen und mein Herz rein tanzen, alles vergessen und wieder ich selbst sein.
Ich lege letzte Hand an meine Frisur, lächle mich selbst an, als wollte ich mir Mut zusprechen. Doch Theo will nicht aus meinen Gedanken verschwinden, allein der Gedanke, dass er nun zwei Tage bei seinem Vater verbringen muss, lässt mich Schmerz fühlen. Seufzend wische ich den Gedanken weg, schnappe mir mein Handy und das mittlerweile fast wieder vollständige Portmonee. Es ist eine Rennerei, alles wieder zusammenzubekommen. Die Bank war schnell und hat mir innerhalb von drei Tagen eine neue Karte ausgestellt, das Amt dagegen benötigt länger für meinen Ausweis. Ein Blick in meine Geldbörse zeigt mir ein Paar Scheine, die durchaus ausreichend sein werden, mir einen schönen Abend zu machen.
Gerade reiße ich voller Elan die Haustür auf, als ich ins Schwanken komme. Zwei Polizisten stehen vor mir. Sie haben noch nicht mal einen guten Abend gewünscht, da vernehme ich schon ihre Funkgeräte: „An alle Streifen, Jack wurde angeblich gesichtet, wer sich am Hafen aufhält bitte …“, da dreht der Polizist das Gerät sehr leise.
„Jack!“, kommt fast atemlos von mir. Er hat also doch überlebt.
„Glauben Sie uns, wir versuchen alles, um diesen Mistkerl zu schnappen, aber er ist wie Houdini, so schnell, wie er auf der Bildfläche erscheint, ist er auch wieder verschwunden“, lächelt der ältere Polizist schief, streift sich über seine Halbglatze und rückt seine Brille auf der Nase gerade, die sofort wieder verrutscht. Meine Alarmglocken gehen los … der Ausweis, mein Portmonee. „ Klare Indizien sagen, dass es seine Halle war. Wir dachten schon, er wäre dahin geschieden, als es dort gebrannt hat, aber leider befand sich niemand in dieser. Traurig, aber wahr, bin mal gespannt, wann der Mistkerl den Löffel abgibt!“, kommt es von dem jüngeren Exemplar, der jedoch fast, wie sein Partner aussieht. Beide keine Augenweiden. Dürfen die so reden? „Wir sind allerdings nicht gekommen, um mit ihnen über Jack zu reden.“ Die Anspannung verflüchtigt sich, also haben sie doch nichts gefunden? Aber wieso sind sie dann hier?
„Sondern?“, frage ich nach, da sich beide scheinbar schwer tun, mir etwas mitzuteilen.
Räuspernd scheint sich der Ältere die Worte zurechtzulegen: „Es hat eine Explosion gegeben in Ihrem Elternhaus, und wir müssen ihnen leider mitteilen, dass Ihre Eltern dabei ums Leben gekommen sind.“
Dong … Dong … Dong …
Höre ich es in meinem Ohr klingeln und sehe die Polizisten nur irritiert an. Meine Eltern? Die meinen sicher meine Mutter, aber … „Meine Eltern? Meine Mutter und mein Vater?“
„Korrekt. Durch die zahnmedizinischen Unterlagen konnte festgestellt werden, dass es sich um beide Elternteile handelt. Unser herzlichstes Beileid.“
Sieht der Jüngere auch noch so betroffen aus, kann ich mir doch ein ungläubiges Lachen nicht verkneifen. Das kann doch gar nicht wahr sein. Mein Vater liegt im Verlies … Mein ersticktes Lachen verstummt, und nur ein Name huscht mir durch den Kopf: Jack!
Kann es sein … nein, sicher nicht, oder? „Sind Sie sich sicher? Meine Mutter und mein Vater?“, erkundige ich mich erneut fassungslos.
„Ja, zu hundert Prozent. Ihr Vater hatte von seiner Tätigkeit als Sprengmeister, noch einiges an Sprengstoffen in seinem Haus gelagert. Diese haben sich entzündet, und das Haus ist in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag explodiert. Die Kollegen untersuchen noch die genauen Umstände, doch es wird
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