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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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zu. »Obwohl sie wohl kaum ausreichend Nahrung aus dem Dorf requirieren können, ist es dennoch eine Lebenslinie, die unterbrochen werden muß. Und sobald das geschehen ist, werden sie keine andere Wahl haben, als über ihren Rückzug mit uns zu verhandeln, bevor sie verhungern.«
    »Der Winter steht vor der Tür.«
    »Ja, der Schnee kommt, und ihre Vorräte an Heizmaterial müssen bald aufgebraucht sein.«
    Die Shura wurde aufgehoben und ging in für diese im allgemeinen zerstrittenen Stämme ungewöhnlicher Einigkeit auseinander. Akbar Khan blieb allein zurück und starrte in Meditation versunken ins Leere.
    Ayesha würde durchschauen, was er plante. Wie fühlte sie sich wohl, im Kantonnement mit diesen schwankenden Dummköpfen, die er sie zu verachten gelehrt hatte, eingesperrt und mit ihnen das Ende erwartend, von dem sie wußte, daß es auch das ihre war? Wann sollte er sie von dort holen? Es würde ihm jederzeit ein Leichtes sein, war doch das Kantonnement so vollständig mit seinen eigenen Leuten durchsetzt. Sollte er sie dort lassen, damit sie die Qualen des Hungers kennenlernte; damit sie den Schrecken der Unabwendbarkeit erfuhr, während sich die Schlinge langsam zuzog; damit sie voller Angst vor den Bildern ihrer Erinnerungen zitterte, aus denen sie sich alle Schicksale ausmalen konnte, die Akbar Khan für Ungetreue bereithielt?
    Er vermißte sie. Nur bei Ayesha gestattete Akbar Khan jemals den Bedürfnissen des Fleisches, das einzige Ziel, auf das sein Leben ausgerichtet war, zu überlagern: Er vermißte ihre Weichheit, diese Weichheit, die eine bestimmte Tatkraft verdeckte, an der er soviel Freude hatte, und die sie sosehr von den Frauen, an die er gewohnt war, unterschied. Ihm fehlte ihre fortwährende Bereitschaft, auf seine Herausforderungen zu reagieren, genauso wie ihre Liebeskünste. Er vermißte das Gefühl, auf jeden ihrer Gedanken und auf die kleinste ihrer Gefühlsschwankungen eingestimmt zu sein. Er konnte nur raten, was sie im Augenblick fühlte, und er wollte es wissen. Sie hatte sich dafür entschieden, bei dem Feringhee zu bleiben, aber hatte sie damit auch seine Landsleute gewählt oder nur die vergänglichen Freuden in Christopher Ralstons Bett? Letzteres konnte er vergeben. Er würde die Untreue bestrafen, aber er würde vergeben, da er auf gewisse Weise für die Situation mitverantwortlich war. Aber Verrat war eine ganz andere Angelegenheit.
    Stirnrunzelnd kehrte er aus seiner nachdenklichen Trance in die Gegenwart zurück. Er würde sie erst einmal dort lassen, wo sie war. Das Ausnützen von Macnaghtens geistlosen Verrätereien bedurfte seiner vollen Aufmerksamkeit.
     
    »Himmel!« rief Kit und fuhr mit der Hand geistesabwesend durch seine Haare. »Das Regiment in Kurdurrah ist vernichtend geschlagen worden. Und jetzt das.«
    »Was ist ›das‹?« wollte Colin Mackenzie wissen, der beunruhigt in die Adjutantur gestürmt kam – dieser Tage die allgemeingültige Stimmung im Hauptquartier.
    »Die Kantonnements bei Charikar sind gefallen«, erklärte Kit finster. »Das Gurkha-Regiment unter Codrington tat, was es konnte, um sie zu verteidigen, aber diese verdammten fanatischen Ghazi haben die gesamte Garnison niedergemetzelt.«
    »Familien?«
    Kit nickte dumpf. »Pottinger und Haughton, die einzigen Überlebenden, sind heute morgen ins Lager gestolpert, und Haughton wird es wohl kaum überstehen.«
    »Großer Gott!« Mackenzie ging ans Fenster und starrte hinaus auf die menschenleere Straße. Der Winterwind rüttelte an den Fenstern und trieb die im Herbst gefallenen Blätter mit eisigem Hauch vor sich her. Überall im Land fielen britische Garnisonen unter dem Angriff von afghanischen Jezails und Krummsäbeln. In der Ebene vor Kabul waren Ghilzai- und Ghazi-Stammesangehörige in Massen versammelt und nahmen das Kantonnement mit beinahe spöttischer Leichtigkeit unter Feuer.
    »Wir sollten das Kantonnement evakuieren und in die Balla Hissar ziehen«, sagte er. »Zur Abwechslung einmal stimme ich unserem geehrten Kronbevollmächtigten zu. Es wäre die vernünftigste Maßnahme. Die Festung ist gut zu verteidigen und liegt strategisch einigermaßen günstig. Hier unten sind wir Ratten in der Falle.«
    »Shelton will nichts davon hören«, gab Kit zu bedenken. »Ich habe den Beratungen den ganzen Morgen über zugehört. Er ist dafür, daß wir uns nach Jalalabad zurückziehen, wo Sale die Stellung hält, denn der Brigadier fürchtet, daß wir mit der Übernahme der Balla Hissar nur unseren

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