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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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grenzte, die da ins Kantonnement zurückkehrte. Sie hatten, erschüttert von den unmenschlichen Schreien der Verwundeten, die sich in dem ununterbrochenen Feuern wieder aufgerappelt hatten, zusehen müssen, wie ihre Kameraden endgültig niedergemäht wurden. Trotzdem waren sie nicht einen Schritt näher an das Dorf herangekommen, in dem ihre einzige Hoffnung lag – wenn sie nicht in der grausamen Kälte eines langen Gebirgswinters und von rauhen und unversöhnlichen Feinden eingekesselt langsam verhungern wollten.
    Kit ging zuerst in die Krankenstation, wo Abdul Ali zwischen den Toten und Sterbenden lag. Das hilflose Stöhnen jener, deren Schmerzen zu einem Bestandteil ihres Selbst geworden waren, quälte seine Ohren fast mehr als das Schreien der frisch Verwundeten auf dem Schlachtfeld. Der Havildar, mit einem blutdurchtränkten Verband um den Stumpf seines linken Beines, befand sich glücklicherweise im Delirium, das durch Morphium herbeigeführt war. Kit fühlte, wie in ihm eine Welle ohnmächtigen Zorns aufstieg, ein Zorn, der sich gegen alle und jeden richtete, der in diesen sinnlosen, tödlichen und selbstmörderischen Kampf verwickelt war.
    Er verließ die Krankenstation und machte sich auf den Weg zu seinem Bungalow, die Füße bleischwer und auf dem Gesicht alle Anzeichen tiefer Niedergeschlagenheit. Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer zu ihm, und die Tür flog auf, eben als er die Hand auf die Klinke legte.
    »Ich habe dich durch das Kantonnementstor hereinkommen sehen, also wußte ich, daß es dir gutgeht.« Annabel hielt sich einen Augenblick zurück, als wollte sie ihnen beiden die Gelegenheit geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dem Entsetzlichen noch einmal entkommen zu sein und sich an der überwältigenden Erleichterung zu erfreuen. Dann warf sie ihm die Arme um den Hals, all jene Gefühle endlich zulassend, die sie bei seinem Fortgehen unterdrückt hatte.
    Er hielt sie umfangen, sog Kraft aus ihrer Kraft und blickte dann über ihren Kopf hinweg zu Colin und Bob, die aufgestanden waren und jetzt diskret in das verdrossen schwelende, außerordentlich beißende Feuer blickten.
    »Wie ich sehe, verbrennst du diesen Mist«, bemerkte Kit und versuchte fröhlich zu klingen, was ihm aber nicht ganz gelang.
    Annabel musterte ihn mit forschendem Blick. »Schlimm?«
    Er seufzte und ließ allen Schein fahren. »Schlimmer als alles davor, glaube ich. Wenn es nicht bloß das Gefühl ist, daß einem noch eine Niederlage, noch ein Tag vergeudeter Menschenleben einfach zuviel erscheint.«
    »Setz dich.« Sie schob ihn auf einen Sessel und goß ihm ein Glas Brandy ein. »Das ist die letzte Flasche, aber ich glaube, heute abend brauchst du sie.«
    »Ich erhebe keine Einwände. Reich sie herum.«
    »Nein … nein, mein Bester, käme nicht im Traum darauf, deine letzte Flasche zu trinken«, wehrte Colin ab.
    »Unsinn! Wenn sie leer ist, ist sie leer.« Kit schob die höflichen Bedenken mit einer Handbewegung beiseite. »Haben wir irgend etwas zu essen, Annabel?«
    Sie lächelte. »Ein Festmahl. Ich habe Colin und Bob eingeladen, sich uns anzuschließen. Es gibt Eier und Pfannkuchen, Antilopenfleisch und Nudeln … und die Krönung von allem, Tee!«
    Kit staunte: »In welchem Traumland befinde ich mich hier?«
    »Kein Traumland«, sagte sie zufrieden. »Ganz einfach. Ich bin nach Kabul auf den Basar gegangen –«
    »Was hast du getan?« Kit sprang auf, sein Gesicht kreidebleich, die Haut über den Wangenknochen zum Zerreißen gespannt.
    »Es war ganz einfach«, fuhr sie fort, als habe sie den Eindruck, den ihre Eröffnung auf ihn gemacht hatte, nicht bemerkt. »Ich habe genug für mehrere Tage eingekauft, und ich werde wieder gehen, wenn unsere Vorräte aufgebraucht sind. Ich weiß nicht, warum mir das nicht schon vorher eingefallen ist.«
    »Vielleicht, weil du gerade eben erst den Verstand verloren hast«, schlug Kit in ungewöhnlicher Ruhe vor. »Ich habe dich schon bei anderen Gelegenheiten schütteln wollen, aber diesmal, glaube ich, werde ich es wirklich tun.«
    »Wir machen uns auf den Weg«, Bob hüstelte wieder einmal.
    »Ja … ja, allerdings«, fiel Colin ein und erhob sich.
    »Nein, gehen Sie nicht!« rief Annabel, als Kit keinen Versuch unternahm, sie aufzuhalten. »Sie bleiben zum Abendessen, achten Sie also nicht weiter auf Kit. Er ist nur müde und elend –«
    »Nicht halb so elend, wie du dich fühlen wirst«, warnte er leise. »Aber das hat Zeit.« Mit einer Handbewegung hielt er seine Freunde

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