Jade-Augen
mich um meine Angelegenheiten kümmern, Colin.«
»Gottes Segen.«
Kit hob eine Hand zum Dank und trat hinaus auf die Straße. Er sah den Lichtfleck des weißen Chadri, als er auf die Ställe zuging, und beschleunigte seinen Schritt. Er konnte sich nicht erklären, warum Harley, der hinter ihr herging, einen hölzernen Karren schob.
Auf offener Straße wollte er nicht rufen. Die Anwesenheit einer Afghanin unter Hauptmann Ralstons Dach war inzwischen allgemein bekannt im Kantonnement, aber er hielt es für das beste, auch weiterhin Diskretion zu bewahren. Die Angelegenheit wurde von seinen Kollegen zurückhaltend behandelt und von den Schiedsrichtern des Benehmens und der Moral wie Lady Sale sichtbar übergangen.
Seinen Schritt beschleunigend, befand er sich bald mit ihnen auf gleicher Höhe. »Was habt ihr vor?« Er besah sich den Inhalt von Harleys Karren.
Harley blickte starr geradeaus auf eine Weise, die seine entschiedene Ablehnung gegenüber seiner augenblicklichen Last deutlich machte. »Die Miss sagt, daß die Bergstämme Dung als Heizmittel benutzen, und da wir inzwischen gezwungen sind, das Mobiliar zu verbrennen, Sir, hat sie entschieden –«
»Dung!« rief Kit und verzog die Nase angesichts des dampfenden, stinkenden Haufens. »Annabel, sei vernünftig.«
»Das bin ich«, erklärte sie sachlich. »Man verbrennt ihn selbstverständlich nicht naß. Wir formen Fladen daraus und lassen sie an der Luft trocknen, im Winter ist der Wind genauso effektiv wie die Sonne. Schafdung brennt zwar besser als Pferdeäpfel, aber Bettler dürfen nicht wählerisch sein.«
»Nein«, Kit nickte matt. »Stinkt es nicht furchtbar?«
»Nicht sehr. Jedenfalls schafft es Wärme.«
Ein hochwertiges Gut, überlegte Kit. Ein Blick auf Harley sagte ihm, daß sein Bursche unter sichtbarer Ablehnung seiner stinkenden Aufgabe seine Meinung teilte.
»Die Afghanen versuchen Behmaroo zu besetzen.« Es war einfacher, gleich zur Sache zu kommen und eine Feuersbrunst zu vermeiden.
»Werdet ihr sie abfangen?« fragte sie.
»Ich habe Befehl, sie zur Deckung Mayor Swaynes Infanterie in ein Ablenkungsmanöver zu verstricken.«
»Christopher!« Ein gebieterischer Ruf erscholl von der anderen Straßenseite. Lady Sale wogte auf ihn zu. »Was, um Himmels willen, hat dein Bursche in seinem Karren?« rief sie, einen Moment lang von ihrem eigentlichen Vorhaben abgelenkt.
»Gibt ein zufriedenstellendes Feuer, M’lady«, behauptete Harley fest und stellte sich neben Ayesha, die einen Schritt zurückgetreten war und mit gesenktem Kopf ein perfektes Bild muslimischer Schüchternheit und Demut bot.
Lady Sale übersah die verschleierte Gestalt. »Ich bin gezwungen, meine Lehnstühle zu verbrennen. Aber wenn das so ist, werde ich Ghulam Naabi zu den Ställen schicken. Christopher, ist es wahr, daß diese Wilden Behmaroo angreifen wollen?«
»Ja, Ma’am«, bestätigte Kit. »Aber Major Swaneys Abteilung wird ihnen den Weg abschneiden, und ich habe Befehl, mit Kavallerie und Artillerie ein Ablenkungsmanöver einzuleiten. Wir können das Dorf sichern, ich hege keinen Zweifel.«
»Ich vertraue dir«, knurrte Ihre Ladyschaft. »Die Vorräte sind auch so schon mager genug. Keiner kann sich mehr daran erinnern, wie man ohne Hunger lebt.« Sie wogte davon.
»Zweifellos werdet ihr das Dorf schützen«, murmelte Annabel.
»Höre ich in deiner Stimme einen Anflug von Skepsis?«
»Vielleicht. Gib auf dich acht, Kit.«
»Das werde ich. Und um Gottes willen, sorgt dafür, daß der Mist einigermaßen trocken ist, bevor ihr ihn verbrennt.«
Den ganzen Tag lang rangen sie mit der afghanischen Kohistanee-Garnison, die das Dorf Behmaroo besetzt hatte. Die Rebellen hatten alle Zugänge zum Dorf blockiert, und jeder Versuch, es im Sturm zu nehmen, würde eindeutig scheitern.
Kit mußte hilflos zusehen, wie seine eigenen Kavalleristen und Artilleristen unter Schüssen aus den Jezails der Feinde fielen. Abdul Ali war schon in der ersten halben Stunde verletzt und auf Kits Befehl von seinen Sepoys fortgetragen worden. Kit fühlte sich merkwürdig ausgeliefert ohne seinen geruhsamen Sergeanten und die fünf Sepoys, die seine ständigen Begleiter waren. Die Ankunft von Verstärkung unter Shelton wirkte zeitweilig ermutigend, aber sie kamen dennoch ihrem Ziel nicht näher, und bei Sonnenuntergang wurde zum Rückzug geblasen.
Es war eine stark verminderte Truppe mit grimmigen Gesichtern, tiefen Schatten unter den Augen und einer Stimmung, die an Verzweiflung
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