Jade-Augen
unterfassend, schob sie sie ins Innere des Hauses.
»Ich bin mit einer Botschaft an Sie betraut worden«, sagte Colin, als sie das Wohnzimmer erreichten.
Sie ließ seinen Arm los und trat von ihm zurück, ihr Körper vibrierte plötzlich. »Von Akbar Khan?«
Er nickte, und schweigend zog er die beiden Armreifen aus seiner Tasche. »Er sagte, Sie würden es verstehen.« Er streckte sie ihr entgegen.
Einen Augenblick lang verweigerte sie die Annahme der Schmuckstücke, sondern blickte sie statt dessen gebannt an, wie man vielleicht einer aufgerichteten Kobra, die jeden Augenblick zubeißen kann, begegnet.
»Was bedeutet das?« drängte Kit leise, als die Anspannung, die ihre bewegungslose Gestalt ausstrahlte, die Luft zum Summen zu bringen schien.
»Er hat den Schlüssel nicht mitgeschickt?« wollte sie wissen, und ihre Stimme verriet, daß dies eine rhetorische Frage war.
Colin schüttelte den Kopf, noch immer die glänzenden Silberarmreifen, die im matten Licht der Nachmittagssonne verlockend schimmerten, von sich haltend.
Schließlich nahm sie sie entgegen, zögernd, als fürchte sie, sich die Finger an ihnen zu verbrennen. »Sie sind wunderschön«, sagte sie sacht, »und sehr kostbar. Alte persische Handwerkskunst, hat er mir gesagt, als er sie mir zum erstenmal zeigte.«
»Was bedeutet das?« beharrte Kit. »Warum sollte er dir zu diesem kritischen Zeitpunkt ein so schönes und wertvolles Geschenk machen?«
Sie schickte ein schiefes, fast spöttisches Lächeln auf ihre Lippen. »Akbar Khan liebt Symbole.« Sie schob die Armreifen über ihre Handgelenke, womit klar wurde, daß sie, einmal geschlossen, so eng sitzen würden, als seien sie ihr angeschweißt worden. »Sobald ich die Schlösser schließe, kann ich die Armreifen ohne den Schlüssel nicht mehr abnehmen. Er besitzt den Schlüssel.« Sie blickte ihn an. »Verstehst du jetzt? Sie sind eine Botschaft seines Besitzanspruchs.«
Colin spürte wieder, wie es ihm kalt den Rücken hinunterfuhr, als er begriff, was diesen Geschmeiden ihre merkwürdig barbarische Aura verliehen hatte.
»Nimm sie ab!« rief Kit mit plötzlicher Heftigkeit, griff nach ihren Armen und streifte die ungeschlossenen Armreifen von ihren Handgelenken. Er ließ die silbernen Fesseln mit einer Geste des Abscheus auf den Tisch fallen, als ob sie verunreinigt wären. »Ich kann das nicht ertragen!« erklärte er mit der gleichen Heftigkeit. »Der Mann spielt mit uns … sie alle spielen mit uns, stehen jenseits dieser Wälle, freuen sich hämisch und sehen zu, wie wir durch Hunger in die Unterwerfung getrieben werden, warten auf das Fallen des ersten richtigen Schnees –«
»Friede, Liebster.« Annabel legte ihm eine Hand auf den Arm. »Unflätiges Schimpfen wird uns nicht weiterhelfen.«
»Sich hinsetzen und zurücklehnen und die Schläge deines verdammten Schicksals hinnehmen hilft schon, nehme ich an«, entfuhr es ihm, seine wütende Hilflosigkeit abrupt auf sie gerichtet. »Diese Einstellung ist einfach nur eine Entschuldigung für feige Handlungsunfähigkeit, und ich kann es nicht ertragen, nicht von deinen und nicht von den Lippen irgendeines anderen, also laß mich nie wieder etwas davon hören, verstehst du?«
Annabels Gesicht rötete sich, und in dem Versuch, ihren Ärger zu unterdrücken, weil er so unbeherrscht vor dem sehr unbehaglich dreinblickenden Colin zu ihr sprach, biß sie sich auf die Lippen. Geistesabwesend nahm sie einen der Armreifen auf und fuhr mit dem Finger über das kunstvoll ziselierte Silber.
»Leg das hin!« Kit entriß ihr den Gegenstand, sein Gesicht wütend verzerrt und die grauen Augen so hart und leblos wie Kieselsteine. »Ich habe genug von Akbar Khans verdammten Symbolen. Rühr sie nicht mehr an.«
Das war zuviel, daß ihr auf so rechthaberische Weise andiktiert wurde, sie sei für Akbar Khans wenig spaßige Spiele verantwortlich und nicht ihr Opfer. Ihre Wut gewann die Oberhand und sie machte keinen Versuch, sie zu zügeln.
»Sie gehören mir«, wedelte Annabel mit den Armen. »Genauso, wie mir meine Einstellungen gehören. Ich habe dir nicht das Recht erteilt, mir zu sagen, was ich berühren und was ich glauben darf.« Mit einer Geste, die Colin nur als mutwillig herausfordernd beschreiben konnte, hob sie den anderen Armreifen vom Tisch auf und zog ihn sich über das Handgelenk. »Und wenn ich mich entscheide, sie zu tragen, dann tue ich es, Christopher Ralston!« Einen entsetzlichen Augenblick lang sah es so aus, als wolle sie das
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