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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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schloß er sie in seine Arme, bedeckte sie mit seinem Körper, so daß sein Atem sie umfing und die tödliche Kälte abhielt.
    Draußen im Freien erfroren Soldaten und Zivilisten zu Hunderten. Andere desertierten, schlichen in der Nacht über den Schnee davon und suchten in größerer Entfernung von dieser verhängnisvollen Prozession in den Bergen nach einem geschützten Platz. Sepoys mit Erfrierungen, zum Dienst daher nicht mehr tauglich, mischten sich unter die Zivilisten und trugen ihren Teil zu der Verwirrung bei, die am Morgen herrschte, als sich die Kolonne unendlich langsam wieder in Bewegung setzte.
    Annabel bedurfte Kits ernster Ermahnung nicht, daß sie seine Seite nicht verlassen durfte. Die bittere Kälte drang durch ihre Kleidung, trotz all des Pelzes und der Wolle, und sie zog sich auf Charlies Rücken in einer betäubten Erstarrung zusammen, mit ihrer Kapuze den Mund bedeckend und nur die Augen freilassend. Die Nachhut rang mit den fortwährenden Belästigungen durch ihre afghanischen Verfolger, denen die Temperaturen und das ununterbrochene Schneien nichts anzuhaben schienen.
    »Anna … Anna, Liebling!« Kits Stimme durchbrach ihre gleichgültige Trance.
    »Hmmm? Was gibt’s?« Sie blinzelte in dem grauweißen Licht.
    »Ich werde eine Schwadron die seitlichen Hügel hinaufführen«, erklärte er rasch. »Die Afghanen haben die Troßkolonne angegriffen und sind im Begriff, sie von der Nachhut abzuschneiden. Sie braucht Verstärkung, die ihr Vorankommen von oben her sichert.«
    »Gott sei mit dir«, murmelte sie, und er nickte, bevor er sein Pferd wendete und im Schnee untertauchte.
    Sie wollte sich wegen ihm keine Sorgen machen, entschied Annabel. In vielerlei Hinsicht war der schnelle Tod durch eine Ghilzai-Kugel oder ein Ghazi-Messer wünschenswerter als diese langsame Zersetzung von Körper und Geist – vielleicht ein feiger Gedanke, aber auch das machte ihr nichts mehr aus.
    Oben auf dem Hügel feuerten Hauptmann Ralston und seine Männer hinunter auf den Weg, über den die afghanischen Truppen nachrückten und das Vorrücken der Nachhut blockierten. Endlich zog der Feind ab, und die Nachhut fand wieder den Anschluß an die Hauptabteilung.
    Kit und seine Männer kehrten auf ihre Plätze in der Hauptabteilung zurück, als sie sich Boothak näherten. Zehn Meilen vor Kabul gelegen, war diese Siedlung immer der erste Haltepunkt auf der Straße von Kabul nach Jalalabad.
    In Boothak erwartete sie Akbar Khan.
    Annabel sah ihn auf seinem Badakshani-Streitroß auf einem Hügel oberhalb der Straße, auf welcher sich die Kolonne mühsam voranquälte. Er war umgeben von einer Gruppe Ghilzai-Stammesangehöriger, aus der sich drei Männer lösten und auf die herankommenden Briten zuhielten.
    General Elphinstone bemühte sich in seinem Sattel um eine aufrechte Haltung, und sein Stab schloß sich um ihn. Eine Bedrohung war der Haltung der Ankömmlinge nicht zu entnehmen, aber sie brachten ihre Pferde mit arrogantem Gehabe zum Stehen und ließen ihre dunklen Augen über die verstörte Menge gleiten.
    Einer von ihnen begann in Paschtu zu sprechen, und der General antwortete, daß er diese Sprache nicht verstehe.
    »Er sagt, General, daß Akbar Khan zugestimmt hatte, die Kolonne bis Jalalabad zu eskortieren, da Sie jedoch das Kantonnement vorzeitig verlassen haben, war es ihm nicht möglich Sie vor den Ghazi zu beschützen«, übersetzte Annabel selbstverständlich, da dies offenbar ihre zukünftige Rolle sein würde.
    Der Afghane wartete gelassen, bis sie geendet hatte. Dann fuhr er fort: »Akbar Khan besteht darauf, daß die Kolonne hier für die Nacht haltmacht.« Sie übersetzte, als der Mann es ihr mit einem Nicken bedeutete. »Er wird am Morgen Verpflegung schicken, aber er verlangt dafür sofort fünfzehntausend Rupien.«
    Der Mann ergriff wieder das Wort, und diesmal konnte man die Namen Lawrence, Mackenzie und Pottinger deutlich heraushören. Annabel blickte zu den drei Männern hinüber. »Akbar Khan verlangt, daß Major Pottinger und die Hauptleute Lawrence und Mackenzie ihm als Geiseln übergeben werden«, ihre Miene blieb unbewegt.
    »Sagen Sie ihnen, Miss Spencer, daß ich Akbar Khans Forderungen erfülle«, murmelte der General inmitten von allseitig geflüstertem Aufbegehren. »Großer Gott«, fügte er in erregter Selbstverteidigung hinzu, »was bleibt uns denn übrig? Sag mir doch jemand, was getan werden soll!«
    Ohne ein Wort zog Major Pottinger sein Schwert und ließ es zu Boden fallen. Colin

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