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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Ich weiß nicht, wie wir ohne sie zurechtgekommen wären in den letzten Monaten … und sie muß schrecklich einsam gewesen sein.«
    »Es geht mir schon gut, Lady Sale«, sagte Annabel tapfer. »Ich bin nur ein wenig verwirrt.« Sie streckte Kit ihre Hand entgegen, der sie ergriff und Annabel hochzog. »Ich muß diese Kleidungsstücke loswerden«, erklärte sie plötzlich. »Meine Haut juckt. Ich frage mich, ob ich in den Zenana zurückgehen kann und ob Zobayeda mir meine eigenen Kleider holt.«
    »Rede keinen Unsinn. Du kannst nicht dahin zurück«, schnitt Kit ihr das Wort ab. »Du gehörst da nicht mehr hin, Annabel. Hat man dir das noch nicht klar genug gemacht?«
    Sie biß sich auf die Unterlippe. Es stimmte. Sie würde ein afghanisches Zenana jetzt als Eindringling betreten. Es gab keine Möglichkeit, mit einem Fuß in ihrem alten Leben zu verharren, dafür hatte Akbar Khan gesorgt. Warum war sie in all ihrer Verwirrung nicht auch dankbar? Sie hatte so sehr um Befreiung gebetet, das Schicksal und die Götter angerufen, um mit Kit Zusammensein zu können. Warum wollte sie jetzt nur noch weinen und in die Abgeschiedenheit ihrer Kammer fliehen? Wie sollte sie mit diesen Menschen zusammenleben, mit denen sie nichts verband, in dieser Enge, ohne sich zurückziehen zu können, wo sie doch an das Alleinsein mit sich selbst und an den damit verbundenen Frieden gewöhnt war? Dann gedachte sie ihrer Einsamkeit, als sie sie mit ihren Kindern hatte spielen sehen; als sie ihren Sonntagsgottesdienst gehört hatte; wann immer sie wieder fort mußte nach ihren täglichen Besuchen und eine miteinander sprechende, sich gegenseitig vertrauende Gemeinschaft zurückließ. War es nicht das, was sie gewollt hatte?
    Sie wandte sich mit einer geflüsterten Entschuldigung ab und setzte sich in geringer Entfernung von der Tür in die Sonne auf den Boden. Kit machte betroffen einen Schritt auf sie zu, aber da war etwas Abwehrendes in ihrer Haltung. Er fühlte die Gewißheit, daß er jetzt nicht in sie dringen durfte.
    »Komm, Kit, wir werden die Hochzeit mit dem Kaplan besprechen«, forderte Lady Sale ihn energisch auf. »Es muß doch irgend etwas geben, was uns damit ein besonderes Ereignis bescheren kann. Wir haben zwar wenig genug, aber wenn wir alle etwas beisteuern …« Auf Kit einredend, ging sie ins Quartier.
    Kit folgte ihr, weil ihm im Augenblick nichts Besseres einfiel. Colin und der Brigadier blieben einen Augenblick stehen und blickten auf die bewegungslose, schwarzgekleidete Gestalt, die in ihrer kleinen Gemeinschaft so fehl am Platze schien, dann ließen auch sie sie allein.
    »Ayesha?«
    Beim Klang ihres Namens tauchte Ayesha aus ihren Träumen auf. »Aber Zobayeda, was tust du hier?«
    Die verhüllte Dienerin, deren Augen wild umherschossen, als fürchte sie, irgendein Dämon in Form eines Feringhee könnte sie anspringen, legte ein Bündel neben sie auf den Boden. »Deine Kleider … aber ich soll die wieder mitnehmen, die du trägst. Sie gehören der Mutter des Ziegenhirten.«
    Das erklärte alles. »Einen Augenblick.« Mit dem Bündel unterm Arm ging Annabel zum Abtritt, der den Geiseln zugewiesen war. Sie zog die Kleider der Schande aus und ihre eigene, zwar abgetragene, aber bequeme Jacke, ihre Chalvar und Schuhe an. Die Wirkung zeigte sich umgehend. Sie hatte das Gefühl, wieder sie selbst zu sein. Wer immer das war … Plötzlich erregte diese Frage sie und die Aussicht auf eine Antwort. Sie trat in die Aprilsonne hinaus und reichte der wartenden Zobayeda die abgelegten Stücke.
    Als sie jedoch den düsteren ersten Raum der Geiselquartiere betrat, erstarb das Flämmchen von Selbstvertrauen sogleich. Die Menschen, die sich in dem engen Raum zusammendrängten, sprachen ernsthaft miteinander, was sie fremd anmutete: Männer und Frauen in einem gemeinsamen Gespräch, wobei die Fähigkeit, einander zu verstehen genauso dazugehörte, wie die Luft, die sie atmeten. Die Stimmen verstummten, als sie hereinkam, was darauf hindeutete, daß man über sie gesprochen hatte. »Ich bitte um Entschuldigung, ich wollte nicht stören!« sagte sie und drehte sich zurück zur Tür.
    »Miss Spencer …?« Brigadier Shelton sprach zögernd. »Es gibt keinen Grund zu gehen.«
    Annabel machte eine vage Geste, von der sie hoffte, daß sie ein höflicher Gruß war und ging in ihrer Verwirrung weiter auf die Tür zu.
    »Annabel.« Colins Stimme hielt sie auf. Als sie dennoch ihren Weg fortsetzen wollte, wiederholte er ihren Namen lauter:

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