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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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setzte sie auf seine Knie. »Erzähl mir davon, Annabel.«
    »Mein Name ist Ayesha«, sagte sie, doch es klang wenig überzeugend.
    »Erzähl es mir«, drängte er und streichelte beschwichtigend ihr Haar.
    Lange saß sie so da, ihm gestattend, sie zu halten, und all das Selbstvertrauen und die Sicherheit, mit denen sie ihm vortags gegenübergetreten war, hatten sich vollkommen in Luft aufgelöst. »Wir waren auf dem Rückweg nach Peshawar, durch den Khyber-Paß«, setzte sie mit fremder Stimme an.
    Er hörte zu, sah durch ihre Worte den gewaltsamen Tod ihrer Eltern, hörte die schauerlichen Schreie, das wilde Kreischen der Stammeskrieger, fühlte das hilflose Entsetzen des entführten Kindes. »Was ist dann geschehen?« hakte er nach, als es den Anschein hatte, sie würde nicht weitersprechen. »War es Akbar Khan, der dich mitgenommen hat?«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Es verging eine endlose Schreckenszeit, bis ich zu Akbar Khan kam.« Sie starrte in den Abgrund ihrer Erinnerungen und setzte sich auf. »Laß mich aufstehen.«
    »Darf ich dich nicht halten?« fragte er, überrascht von der Woge von Zärtlichkeit, die über ihn kam.
    »Ich bin es nicht gewohnt, auf diese Weise gehalten zu werden«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Solche Zärtlichkeiten sind nicht von afghanischer Art.«
    »Um ehrlich zu sein, wußte ich auch nicht, daß sie meine Art sind«, gab Kit zu.
    Sie lächelte plötzlich und kehrte in seine Arme zurück. »Der Ghazi, der mich mitgenommen hatte, behielt mich viele Wochen lang. Ich wußte damals nicht, daß er Akbar Khans Rückkehr in seine Burg in Madella abwartete. Ich sollte dem Sirdar als Tribut übergeben werden, den die Ghazi ihrem Anführer schuldeten. Er hatte entschieden, daß ich einen guten Zehnten abgeben würde, interessanter als Güter und Rinder … und außerdem billiger«, fügte sie hinzu und hatte das Gefühl, daß mit dem Erzählen die Geschichte leichter wurde. »Ich wußte davon natürlich nichts und ging davon aus, daß ich für den Rest meines Lebens mit diesem Mann und seiner Familie in einer Lehmhütte würde leben müssen.«
    »Wie hat man dich behandelt?« wollte Kit wissen und fühlte das Zittern in dem schlanken Körper, den er umarmte.
    »Grausam«, sagte sie trocken, »von den Frauen, nicht von den Männern. Ich nehme an, sie wußten nicht, was sie mit mir anfangen sollten. Ich beherrschte ihre Sprache nicht, verstand nichts. Ich glaube, sie haben mich mißhandelt, weil sie selbst so daran gewöhnt waren, schlecht behandelt zu werden. Die Opfer wurden zu Rächern … das ist eine verführerische Rolle.«
    Kit dachte an die Frauen, die er am Morgen beobachtet hatte, wie sie sich mit den Tieren und Lasten abmühten, den Berg hinaufquälten. Er versuchte sich ein zwölfjähriges englisches Mädchen vorzustellen, wohlgepflegt, in Liebe erzogen und dann den Quälereien eines solchen Schicksals ausgeliefert – Zorn kochte in ihm hoch.
    Annabel spürte seine Gefühlsaufwallung, fühlte, wie sich seine Haltung versteifte und seine Arme sie fester an sich drückten. »Du darfst sie nicht nach deinen Maßstäben beurteilen, Feringhee« ,sagte sie mit einem Anflug von Spott, den er schon kannte. »Sie müssen viel ertragen.«
    »Nenn mich nie wieder so!« verlangte er, und der warnende Ton war nicht zu überhören.
    Sie wandte sich ihm in seiner Umarmung zu, um ihn mit grüblerischem Funkeln in den jadegrünen Augen anzusehen. Dann zuckte sie die Schultern. »Aber da bist du genauso wie jene, die keinen Versuch unternehmen, die Afghanen zu verstehen. Wenn jene, die in Kabul das Kommando haben, sich auch nur ein wenig bemüht hätten, dann würdest du dich nicht in diesem Schlamassel befinden.«
    »Es sieht so aus, als ob wir den Faden verlieren«, brummte er steif.
    »Wirklich? Ich glaube nicht.« Sie glitt von seinen Knien und begann, im Raum auf und ab zu gehen. »Wie auch immer, als Akbar Khan in Madella eintraf, wurde ich zu ihm gebracht … ein dreckiges, ausgemergeltes Stück in den zerfetzten Resten des Kleides, das ich bei meiner Entführung getragen hatte. Zu diesem Zeitpunkt verstand und sprach ich schon eine ganze Menge Paschtu. Als also der Ghazi mich vor diesem Mann zu Boden warf, der mit einem Helm und Kettenhemd angetan war, und sagte, ich sei ein Geschenk für seinen Sirdar, da verstand ich –« Sie biß sich auf die Lippe. »Ich verstand, daß ich in der Hölle war und daß es außer dem Tod kein Entkommen gab. Ich beschimpfte den Ghazi als

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