Jade-Augen
ohne Vorwarnung Platz machen konnte.
»Du wirst nach dem Buzkashi aufbrechen«, sagte sie. »Ich glaube nicht, daß es Akbar Khans Wunsch ist, dich nach dieser Demonstration länger zurückzuhalten. Damit wird er seinen Standpunkt klargemacht haben.«
»Aber du wirst mich begleiten.« Er bemühte sich, den Worten kühle Entschlossenheit zu verleihen, damit sie so klangen, als gäbe es keinen Zweifel, aber sie lachte, und es war dieses spöttische Lachen, das ihn so bestürzte.
»Nein, Ralston, Huzoor. Wie ich bereits gesagt habe, selbst wenn es möglich wäre, und es ist gänzlich un möglich, selbst dann würde ich nicht mit dir kommen.«
»Aber wie kannst du so etwas sagen, nach der Nacht, die wir gerade miteinander verbracht haben?« Er war sich unangenehm dessen bewußt, daß seine Stimme ungewollt wie die eines verwirrten Kindes klang.
Ayesha bemühte sich, Geduld zu bewahren. »Kit, ich würde das, was zwischen uns geschehen ist, nicht besudeln. Es hat mir Freude bereitet, weit über das Maß hinaus, das ich beschreiben kann … mehr als alles, was ich bisher erlebt habe. Aber du mußt die Dinge nüchtern betrachten und zwischen dem Zufall, glückliche und unerwartete Entdeckungen zu machen, und dem harten Alltag unterscheiden. Ich werde die vergangene Nacht niemals vergessen, und –« Sie machte eine Pause und strich ihm eine eigenwillige blonde Locke aus der Stirn. »Und ich werde in dem Glauben leben, daß auch du sie nicht vergessen wirst … auch dann nicht, wenn du verheiratet und der Vater einer ganzen Schar von Kindern bist. Du wirst dich an unsere Liebe erinnern. Selbst wenn sie nur mehr ein Traumbild ist, wird sie dich wärmen in den kalten Momenten, die wir alle von Zeit zu Zeit erleben.«
»Ich werde dich nicht hier zurücklassen.«
Sie berührte seinen harten Mund sanft mit ihren Lippen. »Ich darf dich nicht wiedersehen. Frauen sind beim Buzkashi nicht zugelassen. Küß mich zum Abschied, Christopher Ralston, und sei dankbar für das, was wir hatten. Laß mich nicht von dir gehen mit der Erinnerung an deinen Zorn im letzten Augenblick.«
In den vergangenen achtundvierzig Stunden hatte Kit gelernt, daß es mitunter weise war, Zustimmung vorzutäuschen. Er sagte nichts mehr, sondern drückte sie an sich, glitt mit der Hand die weiche, warme Haut ihres Rückens hinunter, genoß die Rundungen ihres Gesäßes und die Festigkeit ihrer Oberschenkel, nahm ihre Formen in seine Hand, bewahrte ihren Geruch in seiner Nase und saugte den Geschmack ihrer Lippen mit seinen eigenen ein.
Nachdem sie seinen Mund mit ihren Lippen ein letztes Mal gestreift hatte, entglitt sie seiner Umarmung, warf ihre Kleider über und ging zur Tür. Sie zog den Riegel zurück und war verschwunden.
Die Wachen davor betrachteten sie mit Augen ohne Neugier wie Männer, die keine Notwendigkeit verspürten, sich für die Handlungen von Frauen zu interessieren, da sie ohnehin von Männern bestimmt wurden. Sie ging in dem anmutigen Schreiten, das sie hier gelernt hatte. Akbar Khan mochte keinen ungestümen Gang, keine vorlauten Bemerkungen und keine gedankenlosen Gesten. Dieser leidenschaftlichste und unberechenbarste aller Männer beharrte auf dem friedfertigen und gemessenen Benehmen all jener, mit denen er sich in seiner freien Zeit umgab, die sich um seine Bedürfnisse kümmerten und nichts mit seiner Kriegführung zu schaffen hatten.
Ayesha erreichte die Frauengemächer und fühlte sich sofort in der vertrauten Abgeschiedenheit geborgen, eingehüllt in die altbekannten Rituale dieser Frauenfreistätte. Die geheimnisvolle Telegraphie des Palastes hatte in der Nacht ihren Dienst getan, und alle Frauen wußten, wo sie die Stunden der Dunkelheit verbracht hatte, und auf wessen Befehl. Das Wissen wurde nicht offen ausgesprochen, aber in diesem Palast des geheimen Verstehens wurde ohnehin nur wenig preisgegeben.
Sie hatte kein Bedürfnis zu reden, und keine der Frauen machte den Versuch, ihre Zurückhaltung zu durchbrechen, als sie sie entkleideten, in heißem, duftendem Wasser badeten und ihr grünen Tee in eine hauchdünne Porzellantasse einschenkten. Sie trank dankbar und zog sich auf ihren Diwan in dem privaten Zimmer des Hauptwohnbereichs zurück. Die Frauen blieben nur kurz, um Laken und Decken glattzustreichen und die Läden zu schließen, dann glitt der Wandbehang vor ihrer Tür zurück an seinen Platz, und sie war dem Schlaf überlassen.
Aber der Schlaf entzog sich ihr trotz der körperlichen Erschöpfung. Sie war
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