Jade-Augen
Jagdfalken und warf ihn in die Luft. »Ich habe Badar Khan einen guten Preis für ihn bezahlt.«
Der Falkner rutschte unruhig in seinem Sattel umher und fragte sich, ob sein Herr wohl eine Rückzahlung irgendeiner Art verlangen würde, wenn er den Falken vorzeitig verloren hätte. Bei Akbar Khan wußte man nie, woran man war. Die Wahrscheinlichkeit, daß er sich nichts aus dem Verlust machte, war genauso groß wie die Bestrafung des Schuldigen. Er blickte zu der verhüllten Frauengestalt an der Seite des Khan. Die jadegrünen Augen schickten ihm einen aufmunternden Blick durch das Ru- Band, und er fühlte sich etwas erleichtert. Der Falke, ein Geschenk von Akbar Khan, gehörte ihr, und sie würde ein gewisses Mitspracherecht haben, falls der Vogel tatsächlich verloren war.
»Sieh, da kommt er zurück.« Ayesha deutete in den Himmel, wo ein verschwommener Punkt langsam an Form gewann. Sie streckte den Arm aus und lächelte, als der Falke sich mit einem Sperling in dem gefährlich gebogenen Schnabel auf ihrer Faust niederließ und die Fänge in das dicke Leder ihres Handschuhs grub. »Soll ich ihm erlauben, den Sperling zu behalten, Shir Muhammed?«
»Nein, nicht beim ersten Mal. Nimm ihn ihm ab.« Er öffnete die Jagdtasche an seinem Sattel, indessen Ayesha die kaum verletzte Beute aus dem Schnabel des Falken wand und sie in den Beutel legte. Sie flüsterte mit der wunderbaren Kreatur, als sie die Fußriemen befestigte und den stolz gereckten Hals des Vogels kraulte.
»Ist er nicht wunderschön, Akbar Khan?«
Er nickte, und der Schatten eines Lächelns spielte um seinen scharfgeschnittenen Mund. »In Kabul wirst du nur wenig Gelegenheit zur Falkenjagd haben, Ayesha. Du wirst dich statt dessen in den Basaren unterhalten müssen.«
Es war typisch für den Mann, daß er ihr diese Überraschung in einem so unerwarteten Augenblick mitteilte. »Dann werde ich also mit dir kommen?« Sie hielt ihre Stimme gleichmütig und fuhr fort, den Falken auf ihrer Faust zu streichen.
»Ich sehe keinen Grund, warum ich mir deine Gesellschaft vorenthalten sollte«, antwortete er ruhig. »Ich sehe keine Gefahr. Wenn dir die Vorstellung aber unangenehm ist, dann, dessen bin ich gewiß, komme ich auch so zurecht.« Er beobachtete sie aufmerksam, und wieder war sie dankbar für den Schutz des Chadris.
»Nein«, sagte sie vorsichtig, »die Vorstellung ist mir nicht unangenehm. Es ist zwei Jahre her, seit ich in einer Stadt war, und ich sehne mich nach den Basaren.«
»Wir werden morgen aufbrechen.« Er wandte seine Aufmerksamkeit dem eigenen zurückkehrenden Vogel zu.
Der neu ausgebildete Falke durfte an diesem Tag nur einmal fliegen, also reichte Ayesha ihn an Shir Muhammed zurück und nahm statt dessen einen Wanderfalken. Sie war durch die Falkenjagd genug in Anspruch genommen, die in ihr aufsteigenden Vermutungen und ihre Erregung unter Kontrolle zu halten, doch ihr Herz schlug fieberhaft. Sie hatte gewußt, daß Akbar Khan nach Kabul gehen würde, wo er die Aufständischen im Herzen des feindlichen Lagers anspornen wollte. Sie wußte, daß die Briten in der Stadt durch die Abwesenheit von General Sales Einheiten und durch die Übereinkunft, von der sie glaubten, Macgregor habe sie mit den Rebellen getroffen, geschwächt waren. Sie war sich darüber im klaren, daß kein Waffenstillstand herrschte und daß die Zugeständnisse der Briten den Rebellen alles gewährten, während die Briten selbst leer ausgingen. Wenn die Briten meinten, andere Ergebnisse erzielt zu haben, dann machten sie sich etwas vor. Der Winter war nun nicht mehr fern, doch sobald er ausbräche, würde Akbar Khan ihnen den Gnadenstoß versetzen.
In Kabul festgehalten und auf diesen Gnadenstoß wartend, saß Christopher Ralston. Vielleicht würde sie ihn, da sie sich doch in der gleichen Stadt befanden, sehen können. Schon darüber nachzudenken war gefährlich und verboten, aber sie war machtlos dagegen. Genausowenig konnte sie sich der Hoffnung erwehren, an Akbar Khans Seite vielleicht eine Mäßigung zu erreichen. Er hörte auf sie, obwohl sie sich keinen Illusionen über ihren Einfluß auf ihn hingab; man konnte es nicht voraussagen, aber er hatte auf jeden Fall Grenzen.
Die Sonne ging auf und goß Feuer über die Berggipfel, aber sie brachte nicht mehr die Wärme des Sommers. Ayesha zitterte, als die eisigen Morgenwinde durch die Schlucht auf sie niederfielen.
»Ja, vielleicht ist es Zeit zurückzukehren«, sagte Akbar Khan, der ihr Zittern genauso
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