Jade-Augen
auf.«
Nach zehn Minuten kehrte der Bursche mit einem Tablett, auf dem sich der Tee und mit Butter beschmierte Toastbrotscheiben befanden, zurück. »Ich dachte mir, sie is’ vielleicht auch hungrig, Sir. Ein paar Toaste könnten hilfreich sein.«
Bob setzte einen zweifelnden Gesichtsausdruck auf, öffnete aber dennoch die Tür.
»Wenn ihr mich nicht umgehend allein laßt, dann ziehe ich mich vor euch aus«, fauchte die Dame unmißverständlich.
Harley ließ beinahe das Tablett fallen. »Ich … ich … wollt doch nur was … was … zum Frühstücken bringen, Miss«, stotterte er, in der Tür stehend und sich an dem Tablett festhaltend.
Statt einer Antwort faßte die Dame nach dem Saum ihrer Jacke und begann, sie nach oben zu ziehen. Beide Männer schnauften und ergriffen die Flucht.
»Großer Gott«, murmelte Bob und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.
»Was hat der Leutnant da nur angestellt, Sir?« Harley setzte das Tablett auf einem Tisch in der Eingangshalle ab. »Ich weiß, er macht gern Scherze, manchmal vielleicht ’n bißchen toll, aber noch nie so was. Ob er wohl den Verstand verloren hat?«
Bob war sich der Besessenheit seines Freundes im Zusammenhang mit der geheimnisvollen Engländerin in Akbar Khans Zenana, nur allzu bewußt; da er sie nicht ernster genommen hatte als irgendwer sonst, war er davon ausgegangen, daß sie vom Brandy, von der alles durchdringenden Unzufriedenheit und der Langweile in Kabul gespeist worden war. Jetzt sah es eher so aus, als ob es um eine sehr viel ernstere Angelegenheit ginge. Kit hatte eindeutig gehandelt, ohne einen Gedanken auf die Folgen seiner Tat oder auf die Zukunft der Frau zu verschwenden. Er hatte ihnen auch nie angedeutet, daß die Frau sich gegen ihre Rettung wehren könnte, sollte sie zu bewerkstelligen sein.
Geistesabwesend goß er sich eine Tasse Tee von dem verschmähten Frühstückstablett ein und knabberte an einem Stück Toast.
»Oh, ich halte es nicht für so wichtig«, sagte Macnaghten und blickte in seine Kaffeetasse. »Nur ein paar von diesen verdammten Rebellen, die übermütig geworden sind.«
»Sir William, sie haben die Engländer im britischen Amtssitz niedergemetzelt und die Sepoys auch«, sagte Kit und fragte sich, wann die letzte ausgefranste Faser seiner Geduld reißen würde. »Der Amtssitz und das Schatzamt sind niedergebrannt worden. Unverzügliches und nachdrückliches militärisches Eingreifen ist jetzt geboten, wenn der Aufstand im Keim erstickt werden soll.«
»Nun, es ist eine verdammte Schande, daß wir Burnes und das Schatzamt verloren haben«, bemerkte Elphinstone mit zitternder Stimme. »Ich fürchte, wir müssen wirklich etwas unternehmen, Sir William.«
Kit fragte sich, ob etwas geschehen würde. Er hatte die Szenen in der Stadt so drastisch wie möglich beschrieben, und die beiden hatten zugehört, zunächst, als ob sie ihm nicht glaubten, und dann, als ob er die Ereignisse maßlos übertriebe.
Sir William ging ans Fenster und streckte seinen Kopf hinaus. Gedämpfter Lärm kam von der Stadt herüber und der Rauchgeruch hing noch in der Luft. »Ich schlage vor, General, wir lassen Shelton von den Seah-Sung-Höhen in die Balla Hissar marschieren. Von dort aus kann er die Ordnung in der Stadt wiederherstellen. Schon der Anblick seiner Brigade wird wahrscheinlich ausreichen, um die Ratten zurück in ihre Löcher zu treiben.«
Das war ein Wort! Kit ging hinaus, um Shelton den Befehl zu schicken; als er jedoch in der Hoffnung entlassen zu werden, damit er sich umziehen könne, in das Büro des Generals zurückkehrte, da verlangte der wankelmütige Elphinstone von ihm, Shelton einen weiteren Läufer zu senden, um den ersten Befehl rückgängig zu machen.
»Ich meine, wir sollten noch etwas warten«, erklärte der General. »Nur um herauszufinden, ob sie sich nicht von allein wieder beruhigen.«
»Akbar Khan hält sich in der Stadt auf«, gab Kit zu bedenken. »Er wird nicht zulassen, daß die Dinge sich beruhigen, Sir.«
»Leutnant, hat man Ihnen nie beigebracht, Befehlen zu gehorchen?« fragte der General streng.
Kit salutierte und ging, um die zweite Depesche auf den Weg zu schicken. Er entschied, daß er von jetzt an den guten Soldaten spielen und Befehlen gehorchen würde, egal wie unsinnig sie auch waren, und keinen Versuch mehr unternähme, den Wahnsinn mit gesundem Menschenverstand zu mäßigen. Das würde ihn weniger mitnehmen, und es könnte ihn schneller seiner Pflichten entheben, damit
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