Jaeger
neuen Namen.«
Abrupt hörte er auf zu blinzeln.
»Ja, einen neuen Namen. Du wirst ein ganz neuer Mensch sein. Von Kopf bis Fuß. Kompletter Neuanfang. Wie gefällt dir das?«
Er dachte nach. Dabei erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Das gefiel ihm gut. Das gefiel ihm sogar sehr gut.
Sein Begleiter lachte. »Siehst du? Sag ich doch.«
»Wer bin ich denn?«
»Tyrell. Malcolm Tyrell.«
»Tyrell …« Er ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen, um zu sehen, ob er zu ihm passte. »Malcolm Tyrell …«
Wieder ließ Jiminy Grille ein Lachen hören, bevor er auf den Wohnwagen deutete. »Also, Mr Tyrell. Wollen Sie nun Ihr neues Zuhause betreten?«
Die Hunde kläfften immer noch. Das weinende Kind war nicht mehr zu hören.
Ja, das wollte er unbedingt.
13 Alle Augen waren auf Marina gerichtet, als sie die Bar betrat.
Sie ließ den Blick durch den Gastraum schweifen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich nach dem Sonnenschein draußen an das Dämmerlicht gewöhnt hatte. Der Pub war schlicht eingerichtet und wies keinerlei Dekoration auf. Man konnte nicht einmal sagen, dass er heruntergewirtschaftet war, denn vermutlich hatte er nie gute Zeiten erlebt. Als die Schatten um sie herum langsam Gestalt annahmen, fiel ihr auf, dass die Kundschaft – eine Handvoll Männer, die sie mit unbewegten Mienen argwöhnisch musterten – perfekt auf die Umgebung abgestimmt war. Sie sah, wie Gegenstände und Hände unter den Tischen verschwanden. Die Männer hatten sie sofort als Außenseiterin identifiziert. Als jemanden, der nicht zum Vergnügen herkam und an einem Ort wie diesem nicht gern gesehen wurde. Bewährungshelferin. Polizei. Oder einfach nur eine Verrückte mit wirren Haaren, die zufällig von der Straße hereingeschneit war.
Sie kam sich vor wie der einsame Revolverheld in einem Western beim Betreten des Saloons. Hätte es Klaviermusik gegeben, wäre sie schlagartig verstummt.
Sie schluckte ihre Nervosität hinunter und hoffte inständig, dass aus ihr nicht Angst würde. Dann ging sie an die Theke. Legte die Hände auf den Tresen. Er war klebrig, also nahm sie die Hände wieder weg.
Der Barkeeper war ein großer Mann mittleren Alters, der aussah wie ein aus dem Leim gegangener Ex-Boxer. Sein Gesicht war rot und unförmig, auf seinem kahlen Schädel glänzte der Schweiß. Er trug ein ausgeblichenes Hawaiihemd zu billigen Jeans und lehnte mit verschränkten Armen unbeweglich an der Kasse. Er wartete ab, was sie von ihm wollte und wie seine Kundschaft darauf reagieren würde. Seine Augen waren hart und tiefliegend, als hätte jemand zwei spitze Steine in roten Schlamm gedrückt. Er verfolgte jede ihrer Bewegungen.
Ich muss das irgendwie durchziehen , dachte sie bei sich. Ich muss einfach . Josephina erschien kurz vor ihrem inneren Auge. Ich schaffe das.
Sie sah ihm ins Gesicht.
»Ich bin auf der Suche nach Tyrell.« Ihre Stimme klang selbstsicherer als erwartet. In ihrem Innern allerdings sah es anders aus. Sie zwang sich, den Blick des Mannes festzuhalten.
Schon bei ihrem Eintreten war es still geworden, doch nun wurde das Schweigen geradezu ohrenbetäubend. Auf einem klobigen, alten, schwarzen Fernsehapparat in der Ecke lief Sky Sports. Im Raum war nur noch die Stimme des Moderators zu hören.
Allerdings schenkte niemand dem Fernseher Beachtung. Alle starrten auf Marina.
Sie unternahm einen zweiten Versuch. »Tyrell? Ist er da?«
Der Blick des Barkeepers glitt zu jemandem oder etwas hinter ihr. Sie drehte sich um. Hatte er einen der Gäste angeschaut? Wenn ja, wen? Alle gaben sich Mühe, nicht in ihre Richtung zu sehen.
Sie wandte sich wieder zur Theke. »Ich suche Tyrell.«
Jetzt endlich bequemte sich der Barkeeper zu einer Antwort. »Gibt’s hier nicht.« Seine Stimme passte zu seiner äußeren Erscheinung. Beides war grob und unangenehm.
Verzweiflung stieg in Marina hoch. »Bitte.« Die Stimme blieb ihr fast im Hals stecken. »Tyrell. Ist Tyrell hier? Ich muss – bitte …«
Der Mann stützte sich auf den Tresen und sah sie an. Sie konnte die Schweißperlen auf seiner Haut sehen und die Hitze spüren, die von ihm ausging. »Und ich hab gesagt, hier gibt’s niemanden, der so heißt.«
»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte sie. Die Worte waren ihr entschlüpft, ehe sie sich eines Besseren besinnen konnte. Der Barkeeper zog verblüfft die Brauen hoch. »Sie lügen doch!«
Er glotzte sie an, sprachlos vor Staunen. Dann grinste er. »So, tu ich das?«
Plötzlich schämte sich Marina für
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