Jäger der Nacht (German Edition)
Dunkelheit war mit ihrem letzten Besuch nicht zufrieden gewesen.
Nun würde Faith dafür bezahlen müssen.
Vaughn beendete seinen Rundgang an den erweiterten Grenzen des Territoriums und traf auf Dorian, der ihn ablösen sollte. Er hatte menschliche Gestalt angenommen, da der noch unentwickelte Leopard in Dorian sich nicht verwandeln konnte. Dennoch war Dorian nicht weniger tüchtig oder weniger gefährlich als die anderen. Sonst wäre er nie Wächter geworden.
Und genau wie alle anderen war er im Innern unwandelbar loyal. Kein Wächter würde jemals in Versuchung kommen, einen Verrat zu begehen. Aber andere Versuchungen gab es schon.
„Du kennst die Koordinaten?“
Dorian nickte und hängte sich die Flinte über die Schulter. Das war seine einzige sichtbare Waffe. „Gab’s Probleme?“
„Ein paar Jungwölfe spielen Jagen im östlichen Quadranten.“
„Kann ich sie abschießen?“
„Wir sind jetzt Freunde.“ Tatsächlich hatten die beiden Rudel sogar einen Blutsbund geschlossen. Doch da Lucas und Hawke, das Alphatier der SnowDancer-Wölfe, erst vor ein paar Monaten diesen Bund ins Leben gerufen hatten, brauchten beide Rudel noch Zeit, um sich daran zu gewöhnen. „Benutz sie nicht als Zielscheibe.“
Dorian zeigte ein wildes Lächeln. „Ich werde ihnen höchstens ein paar auf den Pelz brennen.“
„Darüber werden sich Lucas und Hawke sicher freuen.“ Nachdem er dem jüngeren Wächter einen kurzen Überblick über die anderen Bewegungen in ihrem Gebiet gegeben hatte, nahm Vaughn wieder die Gestalt eines Jaguars an und sprang davon.
Er hätte sich in sein Versteck trollen sollen, um etwas Schlaf nachzuholen, denn sein Körper hatte ihn einen Großteil der letzten Nacht wach gehalten. Jedes Mal, wenn er eingeschlafen war, hatte ihn ein heftiger sinnlicher Traum geweckt, und er hätte sich nur zu gerne umgedreht und auf einen ganz bestimmten weiblichen Körper geworfen.
Wenn er geglaubt hätte, dass eine andere sein Verlangen hätte stillen können, wäre es ihm nicht schwergefallen, eine geeignete Geliebte zu finden. Auch wenn er ein Jaguar und kein Leopard war, waren die Frauen im DarkRiver-Rudel mit ihm als Liebhaber stets mehr als zufrieden gewesen. Und diese Frauen hielten mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg, wenn jemand nicht in Form war.
Doch er rannte nicht zu einer dieser willigen Katzen, sondern zu einer Medialen, die seine Heftigkeit in eine Ohnmacht treiben konnte. Keine der beiden Hälften in ihm konnte das akzeptieren. Er würde ihr sein Zeichen aufdrücken, er würde sie nehmen, und wenn er sie mit lauter sanften Küssen verführen musste. Katzen konnten sehr überzeugend sei n … Und sich anzuschleichen gehörte mit zu ihrem Lieblingsspiel.
Der Jaguar überwand die Entfernung zwischen seinem Wachposten und ihrem Zuhause effizient und sicher, denn er war das gefährlichste Tier im Wald. Aber heute interessierten ihn die kleinen Wesen nicht, die sich im Schatten verkrochen, sobald er sich näherte. In dieser Nacht suchte er nur Vergnügen.
Faith wollte sich instinktiv gegen die gierigen Finger der Dunkelheit wehren, aber in den Wochen bevor Marine getötet worden war, hatte sie gelernt, dass die Dunkelheit sie nur noch stärker festhielt, je mehr sie sich dagegen wehrte. Daher ließ sie sich von ihr – ihm? – überwältigen und in seine Welt bringen.
Durch seine Dunkelheit schwirrten schwache Spuren von Rot. Der Blutdurst war schneller wiedererwacht, als sie gedacht hatte – der Mord an Marine hatte die Kreatur nicht befriedigt, hatte nur ihren Appetit angeregt.
Er ließ sie erst los, als sie nicht mehr fliehen konnte. Nun würde sie zusehen müssen, würde sein Publikum sein, seine Jüngerin, denn er war großartig und erwartete, dass andere ihm huldigten. Es machte ihn sehr ärgerlich, dass sie das einzige Individuum war, das seine Genialität sah, und er ließ seinen Ärger an ihr aus, indem er sie zwang, jede seiner schrecklichen Taten mitzuerleben. Sie waren zwar noch nicht geschehen, dennoch waren sie für Faith Wirklichkeit, denn sie lebten in den verworrenen Windungen seines Geistes.
Ein heftiger roter Wirbel durchbrach Faiths Gedanken, als er in ihren Geist eindrang. Sie spürte sich nicht mehr, wusste nicht mehr, dass sie eine Kardinale namens Faith war, und wurde ein Wesen, das nur noch aus Schmerz und Angst bestand.
Dunkelheit trieb sie an den Rand des Wahnsinns, all die Gefühle, die man ihr abtrainiert hatte, die sie nicht fühlen und erst recht nicht haben
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