Jäger der Nacht (German Edition)
an denen ganz neue Gefühle rankten. Bisher hatte er sie noch nicht mit seinen Mordfantasien gequält, aber jetzt versuchte er es – die Dunkelheit schabte seit zwei Tagen an ihrem Verstand, wollte ihr zeigen, was er vorhatte.
Heute Abend würde sie ihn hereinlassen.
Aber zuerst wollte sie so viele nützliche Informationen wie nötig zusammenbringen. Nicht für sich selbst, sondern für die Gestaltwandler, die einzigen Wesen, die sie jemals als etwas anderes als eine äußerst profitable Maschine behandelt hatten. „Vaughn.“ Sein Name war wie ein Talisman für sie. Fell wärmte ihre Hand, Lippen pressten sich auf ihren Nacke n – die Erinnerungen waren so stark, dass sie sich darin einhüllen konnte wie in einen schützenden Umhang, bevor sie in das sternenübersäte Feld des Medialnets hinaustrat.
Hell leuchtende und schwach blinkende Sterne überall, unzählige anmutige, schöne Punkte. Wieder versuchte sie nicht, sich zu verbergen, etwas anderes zu sein, als sie war – eine Kardinalmediale, deren Stern so hell strahlte, dass man sich an ihm verbrennen konnte. Obwohl ihr anscheinend niemand folgte, war sie nicht so dumm anzunehmen, dass ihr Clan ihr nicht auf die eine oder andere Weise nachspürte.
Sie hatte sich etwas ausgedacht, um dem zu begegnen, vor dem ihr Instinkt warnte, derselbe Instinkt, der ihr auch sagte, sie solle an diesem Abend ins Medialnet gehen. Unbedingt. Vielleicht würde der Mörder einen Fehler begehen. Jetzt war sie hier, um etwas sehr Einfaches zu tun – dem Herzschlag des Medialnets zuzuhören, den vielen Stimmen, die der Rat überhörte, weil sie so leise waren und sich vor ihm verbargen.
Eigentlich eigenartig, da der Netkopf doch jedes Gespräch, das für den Rat von Interesse sein konnte, diesem angeblich meldete. Warum nahm der Rat dann nicht zur Kenntnis, dass es im Medialnet brodelte, dass sich der Funke des Aufstands ausbreitete? Warum hatte man diese Stimmen nicht schon längst gnadenlos zum Schweigen gebracht, ihre Besitzer so lange rehabilitiert, bis sie gerade noch genügend neuronale Aktivität hätten, um zu essen und sich zu waschen.
Derartige Gedanken beflügelten sie, sich noch mehr Privatsphäre zu verschaffen, und sie streifte durch Raum und Zeit zu einem weiter entfernten Abschnitt des Medialnets. Gleichzeitig zog sie die Schutzschilde hoch, die ihre Anonymität sicherten. Einem Beobachter musste es vorkommen, als wäre sie einfach verschwunden. Eine einfache Vorsichtsmaßnahme nur, aber man würde sie wahrscheinlich nicht aufspüren, weil sie sich noch nie zuvor an dieser öffentlich zugänglichen Verbindung aufgehalten hatte, auf die sie bei ihrer letzten Vorhersage unabsichtlich gestoßen war.
Nach ein paar Runden im Informationsflus s – nur lokale Nachrichten und weniger wichtige Verlautbarunge n – unterbrach sie die Verbindung und begab sich in einen öffentlichen Chatroom. Die Teilnehmer diskutierten gerade über Antriebstechniken, aber Faith blieb trotzdem. So würde es eventuellen Verfolgern nicht auffallen, wenn sie hier herumlungert e – V-Mediale verhielten sich manchmal eigenarti g – und das Gesuchte vielleicht in diesem Tratsch fand.
Im nächsten Raum ging es um den neusten Yogalehrer im Medialnet. Yoga galt als sehr nützlich, um den Geist zu fokussieren. Doch Faith glaubte inzwischen nicht mehr, dass es das war, was Mediale an dieser alten spirituellen Technik anzog. Vielleicht suchten sie einfach nur etwas, das ihre innere Leere füllte.
Danach gelangte sie in ein Gespräch über die hohen Erträge des bahnbrechenden Vertrags zwischen den SnowDancer-Wölfen, den DarkRiver-Leoparden und den Duncans. Faith kannte nicht alle Einzelheiten, wusste aber, dass es irgendetwas mit einem Bauvorhaben für Gestaltwandler zu tun hatte. Obwohl es eigentlich ein Projekt der Duncan-Familie war, hatte diese die Planung und Ausführung den Leoparden übergeben, weil man glaubte, sie würden die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Rasse besser verstehen. Die Wölfe hatten – nach Vermittlung der DarkRiver-Leoparden – das Land beigesteuert und so diese bisher einmalige Partnerschaft ermöglicht.
Sie erfuhr, dass alle Einheiten schon verkauft waren, bevor sie überhaupt auf dem Markt angeboten wurden. Und es gab eine lange Warteliste. Einige schlugen vor, solche Projekte in Europa anzustoßen, wo die Gestaltwandler zivilisierter waren. Das wurde sofort durch den Einwurf entkräftet, die Wölfe und die Leoparden seien anscheinend gerade deshalb so
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