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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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Tasche und holte eine Schachtel Streichhölzer hervor. Als er den Joint anzündete, flammte das Streichholz wie ein Blitz in der Dunkelheit auf, und in diesem Moment sah Kevin zum ersten Mal das Gesicht von Max klar und deutlich, sein hageres und scharfgeschnittenes Kinn, die Bartstoppeln, seine stark gebogene Nase und die dunklen Schatten unter seinen Augen. Kevin durchzuckte plötzlich Angst. Er wollte bestimmt nicht die Tunte sein, die von Max zusammengeschlagen werden sollte.
    Aber als der Joint die Runde machte, begannen sich Kevins Gedanken wieder im Kreise zu drehen. Vielleicht würde der Mann mit der Brille im Greystone Park sein. Jawohl, er hoffte, der Mann mit der Brille würde dort sein. Und er wollte auch nicht, daß Max ihn auch nur anfaßte. Das würde er alles schon selbst erledigen.
    Als der Joint bei ihm angelangt war, nahm er einen tiefen Zug und reckte seine Schultern: «Wann gehn wir? ... Ich will los...»
    «Hast’n Wagen hier?» unterbrach Dennis. «Hey, Arnie, hast’n Wagen?»
    «Ja.»
    Rico hüpfte wieder auf und ab. «Wir fahren mit dem Auto! Wir ticken ‘n paar Tunties! Und wir fahren mit ‘nem Auto!»
    Arnies Wagen war ein merkwürdiges Etwas, das draußen vor dem Friedhof geparkt war. Der Chrom – und davon gab es eine ganze Menge – glänzte im Laternenlicht. Das Heck war angehoben – wie eine Katze, die heiß ist –, was durch die überdimensionierten hinteren Reifen kam.
    Alle drängelten sich rein, Arnie setzte sich ans Steuer, und der Wagen röhrte los. Kevin saß auf dem Rücksitz mit Joe und Rico und mit einem sich windenden Dennis auf dem Schoß. Kevin sah einen kindlichen Arm um Max’ Nacken geschlungen und fragte sich, woran Kenny wohl dachte. War es immer so mit Kenny? Wie oft zuvor war es schon passiert?
    Das Auto donnerte durch die Houghton Street in Richtung auf den Greystone Park, und das Radio dröhnte einen wilden Rock. Kevin, high vom Joint und der Farbe, fühlte sich wie auf einem Flug zum Mond, und die betäubenden Ausdünstungen, die den Wagen erfüllten, steigerten seinen Rausch noch. Die Lichter und die Musik drangen in sein Gehirn wie Botschaften aus dem Weltraum, hämmerten sich in seinen Kopf, als ob sie von der Milchstraße kämen. Er saß einfach so da, schwerfällig, alles in sich einsaugend, während die Vibrationen sich wie Nadeln tief in seinen Körper bohrten. Der Wagen raste auf den Greystone Park zu... und zu den Tunten.
    Kevin war noch nie im Greystone Park gewesen. In Laureldale hatte es genug Bäume und Spielplätze gegeben, so daß man nicht erst in die Innenstadt fahren mußte. Aber für die anderen Jungs im Wagen handelte es sich anscheinend um heimatliches Jagdgebiet. Arnie parkte den Wagen nahe einem gemauerten Eingangstor, das mit Statuen geschmückt war, die Soldaten in alten Uniformen und eine Art Schildwache darstellten . Weiter hinten gab es mächtige Bäume, so groß wie die, die Kevin auf dem Friedhof gesehen hatte. Sie stiegen aus, und Max führte sie durch das Tor. Kaum waren die Jungs im Park – wie Jäger auf der Pirsch –, unterhielten sie sich nur noch im Flüsterton und bewegten sich verstohlen wie Diebe im Schatten der Büsche, die die eine Seite des Weges säumten. Kevin war verwirrt. Abgesehen von vereinzelten Männern, die ihre Hunde ausführten, schien der Park verlassen zu sein. Aber Arnie und Max, die voraus gingen, schienen genau zu wissen, wo‐
    hin sie gingen, und sammelten unterwegs kurze Baumäste auf.
    Sie kamen an einer Gruppe von drei Standbildern vorbei: Männer mit Gewehren – wieder diese alten Uniformen –, die auf ihrem Podest in Stellung zu gehen schienen. Kevin entzifferte die Inschrift auf dem Podest: «Vereint im Ruhm».
    An einer Weggabelung hielten sich Max und Arnie scharf rechts; sie gingen jetzt mit schnelleren Schritten, leise wie Katzen. Der Weg war nun abschüssig und führte durch eine Art Laubengang. Als sie da durchschlichen, konnte Kevin erkennen, daß vor ihnen ein schmaler Pfad lag, rechts und links von Büschen gesäumt, hin und wieder schwach beleuchtet von Laternen. Dicht an seinem Ohr hörte er Dennis’ Stimme: «Hier sind sie. Das ist es. Hier!»
    Kevins Puls schlug schneller. Wer war hier? Tunten. Merkwürdige zweibeinige Tiere mit grünen Augen und Fangzähnen, die Blut tranken und... ja... auch Samen. Aber meistens Blut. Von Babys.
    Dann dachte er an Harry. Harry war... nein, nicht Harry. Harry trank niemals Blut. Aber der Mann mit der Brille... er trank Blut, und Kevin

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