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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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gehen können. Er hätte George und Gerald besuchen können. Er hätte Bruce anrufen können. Es war aus mit ihm, aber er hätte Bruce dennoch anrufen können...
    Aber er hatte ja in den Park gehen müssen. Er redete sich immer ein: die Anonymität... das Abenteuer... die Gefahr. Die plötzliche Leidenschaft aus dem Nichts. Und so schnell wie es kam, war es auch wieder vorbei; übrig blieb nur eine wohltuende Leere im Geschlechtsteil und die Erinnerung an einen Nervenkitzel.
    Einen Ausbruch von leidenschaftlicher Raserei hatte er ja tatsächlich erlebt. Er hatte den wütenden Haß im Gesicht des kleinen Monsters gesehen, das ihn mit seinen Fäusten zusammengeschlagen hatte. Mein Gott, da müssen Dutzende von dieser Sorte gewesen sein! Lilliputaner, die Gulliver fesseln, und so süße Lilliputaner! Und der andere, der auf meiner Brust saß. Der hat mir in die Augen gesehen, als ob er mich küssen oder sonst was mit mir machen wollte. Dann ein Tritt in die Eier, und der Engel schlägt mir mitten ins Gesicht! Wer sind diese kleinen Ungeheuer? Die Liebesboten einer herbeigesehnten Gefahr? Sie hatten Pfeile, diese Cherubine!
    Amory dachte nach: Irgendwas war noch passiert vor dem Angriff dieser Engel. Irgendein Typ hat mir einen geblasen. Wo ist er abgeblieben? Haben sie ihn auch erwischt? Er erinnerte sich an die Wärme jenes Mundes. Er erinnerte sich an die Weichheit der Haare, durch die er mit seinen Händen in dankbarer Erwiderung gefahren war, und an den gemeinsamen Rhythmus ihrer Körper.
    Dann war es passiert. Die abgeschiedene Intimität dieses öffentlichen Parks war angetastet worden. Die Heiligkeit des schwulen Reviers war verletzt worden. Die Teufel waren eingefallen. Oder wollten sie nur die Erlaubnis zum Zutritt? Als sie auf die Körper einschlugen, versuchten sie damit nur, die Tore einzudonnern? Er erinnerte sich an den einen Jungen, den, der ihm ins Gesicht geschlagen hatte. O ja, er hatte die Unerbittlichkeit der Hand gespürt und auch die plötzliche, hemmungslose Entladung, die sich in seinem Gesicht widergespiegelt hatte, bunt wie Feuerwerksraketen. Aber was hatte die Hand sagen wollen? Ich bin hier! Beachte mich! Aber, zum Teufel, was für eine Beachtung konnte er ihm schenken, wenn einem gleichzeitig in die Eier getreten wird? Scheiße, diese egozentrischen kleinen Teufel! Was wollten sie?
    Vergiß sie. Ein Leidensgenosse ist vielleicht verletzt. Er mußte das rausfinden. Aber das würde bedeuten, aufstehen zu müssen, und Amory wollte nicht aufstehen. Sein Gesicht fühlte sich an, als hätte es eine Reiterattacke überlebt. Zwischen seinen Beinen spürte er noch rasenden Schmerz. Auf der Erde liegen zu bleiben, im Dreck herumzukriechen und Würmer essen: Scheiße! Kein Haufen mistiger, heidnischer Jungs könnte ihn je dazu bringen. Er war ein Mann. Er war Amory Borden.
    Plötzlich wünschte sich Amory, Bruce zu treffen. Er wollte in den Armen gehalten werden. Er wollte in dem großen, gemütlichen Wohnzimmer sitzen, einen starken Brandy trinken und seinen Schmerz und den Haß in den Gesichtern der kleinen Teufel vergessen. Aber, du meine Güte, er mußte ja schlimm aussehen! Er hob eine Hand und fuhr sich damit übers Gesicht. Linkes Auge verletzt. Wangenknochen. Seine Lippen schienen aufgeplatzt zu sein. Blut sickerte seine Wangen runter. Und wenn schon, er sah eben schlimm aus.
    Bruce würde voller Verachtung über sein kleines Abenteuer im Park sein. Ausgerechnet Bruce. Er wußte von Bruces gelegentlichen Feldzügen zur Hafenstraße und von dem Gesocks, das er mit nach Hause brachte. Wenn Bruce noch nie ausgeraubt oder zusammengeschlagen worden war, dann lag es einfach daran, daß er Glück gehabt hatte. Nun... Amory hatte dieses Glück nicht gehabt, jedenfalls nicht heute nacht . Zu blöd, denn er hatte einen ganz duften Typen aufgerissen. Aber was war bloß aus dem armen Typen geworden, den all diese kleinen Teufel bearbeitet hatten?
    Langsam kam Amory auf die Beine und hielt sich am Laternenpfahl fest. Seine Knie zitterten, und er spürte immer noch einen stechenden Schmerz zwischen seinen Beinen. Aber es schien nichts gebrochen zu sein, und er konnte seine Beine bewegen. Er suchte mit seinen Augen die Lichtung ab und machte schließlich ein weißes Bündel auf der Erde aus. Schritt für Schritt schleppte er sich zu der am Boden liegenden Gestalt, mit der er noch vor wenigen Minuten anonyme Freuden geteilt hatte. Er kniete neben ihm nieder und sah im Licht der Laterne zum erstenmal sein

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