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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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seinen Blick auf die Speisekarte, als ob es da einen Film zu sehen gäbe.
    Dennoch beeindruckte ihn dieser Ort, und Bruce am Tisch gegenüber zu sitzen, gab ihm ein weltmännisches Gefühl, so, wie er es aus den Spätfilmen im Fernsehen kannte. Verstohlen folgte er jeder von Bruces Bewegungen, zerteilte sein Fleisch, wie Bruce es tat, brach sich ein Stück vom knusprigen Brot ab, spießte den Salat mit der Gabel auf – so, daß es gerade für einen kleinen Haps reichte – und nippte vorsichtig am merkwürdig schmeckenden Kaffee. Extra für ihn gab es zum Nachtisch ein Fürst‐Pückler‐Eis, während Bruce lieber eine Zigarette rauchte. Die ganze Zeit über wieselte ein Kellner in schwarzer Weste, weißem Hemd und schwarzer Fliege – er sah aus wie ein erwachsener Gino – um sie herum, füllte die Wassergläser, brachte Butter nach, goß Wein aus einer Flasche in Bruces Weinglas und reichte jeden Gang mit einem strahlenden Lächeln. Das hier war garantiert nicht McDonald’s!
    Zu Beginn des Essens fragte Bruce Kevin nach seiner Schule. Beeindruckt von der ungewohnten Atmosphäre des Restaurants, wollte Kevin eigentlich nicht von den ungemütlichen Gängen und Klassenzimmern berichten, in denen er einen Gutteil des Tages verbrachte. Aber Bruces Blick war sowohl neugierig als auch verlangend. Widerwillig begann Kevin zu erzählen. Es fiel ihm nicht leicht.
    «Ich versuch’, da möglichst cool und so herumzulaufen. Das ist nicht wie Laureldale, die Schule, auf der ich vorher war. Da kannte ich einige Leute und bin zurechtgekommen.» Er hielt inne und spielte mit einer Brotkruste in seiner Hand herum. «Da kannte ich mich noch nicht mit mir aus, das ist alles. Es gab nichts zu verstecken. Da konnte ich einfach... zurechtkommen. Und wenn mir mal was schwerfiel in der Schule, dann half mir Mr. Crimmins – er war mein Pflegevater – bei den Schularbeiten. Er erklärte mir alles, langsam und in einfachen Worten, so daß ich es begreifen konnte.» Kevin schüttelte seinen Kopf. «Aber diese Schule, auf die ich jetzt gehe, ich bin da noch nicht allzu lange. Kenn’ da nicht viele Leute. Gino, er ist mein bester Freund, er kümmert sich nicht viel ums Lernen. Alles, was er will, ist, auszugehen und Mädchen zu ficken, und was soll ich dazu sagen?» Kevin zog die Schultern ein und senkte seinen Kopf. Seine Stimme wurde um einiges tiefer. «Sicher, Gino», parodierte er, «ich fick’ auch gern Mädchen.»
    Bruce reagierte mit einem Grinsen: «So hab’ ich’s auch gemacht.»
    «Hast du irgendjemanden davon überzeugt, dir zu glauben?»
    «Kann sein. Ich weiß nicht.»
    «Und die ganze Zeit treib’ ich mich in der Hafenstraße rum. Und jedes Mal, wenn ich dorthin gehe, erfahre ich mehr über mich selbst. Beängstigend. Was, wenn jemand von der Schule das jemals herausbekäme? Was würde im Umkleideraum passieren? Ich mein’, einige dieser Angeber in der Schule sind ganz schön stark und haben vor sich selbst Angst. Die haben’s immer nur auf andere abgesehen. Vor einigen Wochen haben sie einen Jungen überrascht, der nach dem Unterricht jemandem in der Toilette einen blies. Kleiner Junge. Viele Pickel. Niemand mochte ihn so recht. Aber als sie ihn erst mal in der Toilette aufgegabelt hatten, haben sie ihn praktisch für Tage dort eingesperrt und haben sich abwechselnd von ihm einen runterholen lassen. Ich mein’, der arme Junge muß geglaubt haben, daß er dabei ist, der beliebteste Typ der Schule zu werden. Dann haben sie ihn eines Tages nach dem Unterricht auf seinem Heimweg verfolgt, haben ihn auf einem leeren Grundstück erwischt und ihn windelweich geprügelt. Er ist dann abgehauen. Keiner weiß, wo er geblieben ist. Seine Eltern sind zur Schule gekommen und haben ‘ne Menge Fragen gestellt, aber keiner hat ihnen was gesagt... jedenfalls nicht die Wahrheit.»
    Kevin stocherte in seinem Essen herum. «Solche Sachen... jagen mir Angst ein.» Plötzlich blitzte in ihm die Erinnerung an die Nacht auf, in der er und Dennis mit Max und Arnie losgezogen waren, um im Greystone Park Tunten zu ticken. Er wollte Bruce davon erzählen, nur um sich das Herz zu erleichtern. Aber er tat es nicht. Er schämte sich zu sehr.
    Kevin war nie zuvor im städtischen Museum gewesen. Niemand war je vorbeigekommen, um ihn mitzunehmen. Er hielt sich dicht neben Bruce, als sie die ausladende Treppe zum Haupteingang des mächtigen, reich verzierten Gebäudes hinaufgingen, dessen Portale von riesigen Kandelabern bewacht wurden.
    «Zeigen

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