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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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Wenn einer der beiden ihn in der Hafenstraße aufgelesen hätte, wäre er mit Freuden mitgegangen. Sie waren beide, so nahm er an, um die Dreißig, groß, schlank und gutfrisiert. Sie hatten das Wie‐frisch‐gewaschen‐Aussehen, das auch Bruce eigen war, und ein schwacher Duft nach Eau de Cologne vervollständigte das Bild. Aber da war etwas an ihrem Blick, was Kevin beunruhigte – ein kurzes, schnippisches Zwinkern. Beide hatten es. Kevin nahm an, daß sie sich liebten, aber mußten sie deswegen auch dieselben Eigenarten haben? Besonders, wenn die beiden Augenpaare auf ihn gerichtet waren.
    George und Gerald wollten was trinken, und sie bestanden darauf, daß Bruce und Kevin ihnen Gesellschaft leisten sollten. Bruce, liebenswürdig wie immer, sagte zu. Kevin, von einer bösen Vorahnung geplagt, fragte sich, wie wohl dieser Abend enden würde. Er wollte Bruce für sich allein; warum hatte er nur diese schrecklichen Freunde?
    Die vier spazierten die Jefferson Street entlang bis zu einem Lokal, das von außen wie eine der Spelunken an der unteren Houghton Street aussah. Aber von innen sah es ganz anders aus. Teppiche, in denen man versank, romantische Beleuchtung, sanfte Musik. Es war... wie geradewegs aus dem Spätprogramm, das Kevin vom Fernsehen her kannte... und ohne die fliegenden Kremtorten. Warum konnten Bruce und er dort nicht für sich sein? Er konnte sich schon vorstellen, was er da alles mit Bruce hätte bereden können!
    Aber da gab es George und Gerald, zwinkernd.
    Kevin hielt sich dicht bei Bruce, während ein Kellner sie zu einer Nische geleitete, und er achtete darauf, neben Bruce zu sitzen, während George und Gerald auf der anderen Seite des Tisches Platz nahmen. Aber dadurch saß er nun diesen zwei Paar Augen gegenüber. Immerhin war der Tisch zwischen ihm und ihnen.
    Bruce bestellte einen Brandy mit Soda. Aber George und Gerald hatten ganz besondere Anweisungen für den Kellner; da ging es um so merkwürdige Sachen wie «steif», «schütteln» und «Spritzer». Die zwei klangen für Kevin wie sein Chemielehrer, und er fragte sich, ob von den Drinks, kaum daß sie auf dem Tisch ständen, grüne Dämpfe aufsteigen würden. Kevin wollte an sich ein Bier, aber er dachte noch mal darüber nach und bestellte bescheiden eine Cola.
    Dann wieder diese Augen... Gerald – das war der Dunkelhaarige mit dem Schnäuzer – fragte ihn: «Nun, junger Mann, wo gehst du zur Schule?» Seine Stimme klang so falsch wie die von Miss Gotter.
    Kevin wollte «Hafenstraße» sagen, aber er dachte sich, daß das wohl nicht allzu gut ankäme. «Houghton High School.»
    George – er hatte kurzgeschnittenes, blondes Haar und sah aus wie ein Rettungsschwimmer – mischte sich ein, sein Blick in weite Ferne gerichtet. «Ich kannte mal einen jungen Mann von dieser Schule.»
    «Oh?» sagte Kevin und fragte sich, wer denn noch anschaffen ginge. «Wie hieß er?»
    «Hab’s vergessen. Ihm fehlte ein Zahn... und er hatte den süßesten Hintern.»
    Kevin bedauerte, nicht eine Bierflasche zur Hand zu haben, um George einen fehlenden Zahn zu verpassen. War das die Art, in der Bruce eines Tages von ihm sprechen würde? Er spannte seine Bauchmuskeln an. Immerhin hatte Bruce Kevins Namen lange genug behalten, um ihn vorzustellen.
    Wieder Gerald. «Wie haben dir die Filme gefallen?»
    «Ganz schön lustig.» Dann sah er Gerald angriffslustig direkt in die Augen, ins gepflegte Gesicht und auf den gestutzten Bart. «Die Kremtorten waren hinreißend.»
    Gerald wandte seinen bohrenden Blick ab und richtete sich an Bruce. Mit einem Seufzer: «Nichts gegen Keaton, aber mein Herz schlägt für Lillian Gish.»
    George schniefte. «Gish? Verglichen mit der frühen Garbo? Mach’ nicht so was, Gerald!»
    Als die Drinks kamen, sah Bruce verdrießlich aus. «Ich steh’ auf Lot in Sodom.»
    «Aber Myra ist um Klassen unterhaltsamer!» sagte Gerald. «Cocteaus trauriges Seelchen.»
    Von da an, soweit es Kevin betraf, machte die Unterhaltung überhaupt keinen Sinn mehr. Er nuckelte an seiner Cola und studierte die anderen drei Gesichter in der Nische. Würde er wie Gerald aussehen, zehn... fünfzehn Jahre von heute? Das gleiche dunkle Haar, der magere Körper, das ebenmäßige Aussehen? Ja, aber diese zwinkernden Augen und die geschürzten Lippen, als ob er immer noch den letzten Schwanz schmecken würde, den er gelutscht hatte.
    Wer waren diese Leute? Wo geriet er da rein?
    Dann sah er Bruce an. Der Gesichtsausdruck selbstsicher und gelassen. Die

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