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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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Bruder in Denver. Nach dem Abendessen fuhr Bruce Miss Harkins zurück zu Charlottes Haus, wartete, bis sie die Vortreppe hinaufgestiegen und hineingegangen war. Dann fuhr er zurück in seine eigene Wohnung. Es war neun Uhr abends. Die Nacht war warm und klar.
    Bruce schlich durch seine Wohnung. Kevins Gegenwart war mit Händen zu greifen, beherrschend. Sogar der Duft seines Körpers schien den glänzenden Mahagonimöbeln anzuhaften und in den Tiefen der Polster zu stecken, prickelnd vor unverfälschter Animalität. Er sah den Jungen vor sich – hingeräkelt auf dem Diwan im Wohnzimmer, alle Viere von sich gestreckt auf dem Bett liegend, aus dem Badezimmer auftauchend, wie er sich nach vorn beugt, um eine Brause aus dem Kühlschrank zu nehmen, wie er durch die Vorhänge des Fensters späht. Und über allem, wie er triumphierend dasteht, die Beine gespreizt und fest auf dem Boden, die Arme hoch erhoben, ein Lächeln auf seinem Gesicht und mit funkelnden Augen.
    Aber die Wohnung war leer. Bruce goß sich einen Brandy ein. Er wollte Kevin anrufen, aber er wußte, daß die Familie die Telefonrechnung vertrunken hatte und daß der Anschluß stillgelegt war. Er dachte daran, Amory anzurufen, aber der Gedanke erschien ihm wenig verheißungsvoll. Er nippte an seinem Brandy und ließ Kevins Körper verführerisch von seiner Phantasie Besitz ergreifen. Die Nebel des Alkohols in seinem Gehirn bewirkten einen Zwang in ihm. Er mußte Spazierengehen, raus aus dem Haus, Menschen finden, Wärme, das Geräusch von Stimmen, aus der Erstarrung der Einsamkeit ausbrechen.
    Nicht allzu sicher in seinen Bewegungen, zog er ein leichtes Jackett an, schloß die Wohnungstür hinter sich ab und ging hinaus in die Nacht. Er redete sich ein, nur wegen der Luft nach draußen gegangen zu sein, aber er ging, schweren Schrittes, Richtung Jefferson Square. Unter normalen Umständen hätte man Bruce nicht angetroffen, wie er todmüde den Jefferson Square durchstreifte, aber dies waren keine normalen Umstände. Seine Gedanken waren zurückgeschwelgt zu den erbärmlichen Gebräuchen seiner späteren Jugendjahre, als Begegnungen am Jefferson Square herrlich verderbte Abenteuer gewesen waren, so daß seine Erregung noch Tage danach angehalten hatte. Er wußte es damals nicht besser. Nun kannte er Besseres. Aber nichtsdestotrotz fühlte er sich dorthin gezogen.
    Er erinnerte sich an einen bestimmten Baum im Schatten hinter dem Denkmal, eine Pinie mit wirr überhängendem Geäst. Als er den Platz betrat, nahm Bruce Kurs auf den Baum und fragte sich, ob er immer noch dastand und um wieviel er gewachsen war. Er ging an den schweigenden Gestalten vorbei, die von wachsamer Einsamkeit umgeben waren, und bewegte sich auf den beleuchteten Springbrunnen zu, mit dem mächtigen Denkmal von Jefferson dahinter. All seine Eindrücke waren leicht verschwommen, aber dennoch fühlte er das Zittern jugendlicher Erregung, voller Erwartung, was er wohl an diesem Baum vorfinden würde.
    Er war immer noch da, kleiner als in seiner Erinnerung. Er lehnte sich an den Stamm, um sein Gleichgewicht zu halten, zündete sich eine Zigarette an und wartete. Die Glut der Zigarette würde seine Anwesenheit und Verfügbarkeit anzeigen – aber nicht sein Gesicht. Als er jung war, hatte er immer ein Streichholz angezündet und es hochgehalten, um sein Aussehen lockend zu verkünden, wie flüchtig dieser Vorgang auch gewesen sein mag. Nun zog er die beschützende Dunkelheit vor; nicht jeder flog sofort auf gereifte Stattlichkeit. Dennoch sehnte er sich nach augenblicklicher und anonymer Wärme, die ein Ersatz – ein trauriger Ersatz, das war klar – für Kevin sein könnte.
    Er wünschte jetzt, er hätte dem Brandy nicht so kräftig zugesprochen. Selbst wenn er jetzt in der Dunkelheit jemanden fände, war er sich nicht sicher, ob er es bringen würde. Er fühlte sich schlaff und konnte nur auf eine irgendwie kunstfertige Stimulierung vertrauen. In früheren Jahren war es einfach gewesen, so was zu finden; nun verließ er sich nicht allzu sehr darauf. Seine Augen verfolgten die Bewegungen der vereinzelten Gestalten mit gereizter Aufmerksamkeit. Bemerkten sie ihn? Waren sie abgestoßen? Oder auf eine andere Beute aus? Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette, damit die Spitze leuchtender brannte, und lachte sich dann dafür aus, daß er versuchte, sich wie ein balzendes Glühwürmchen zu benehmen. Eine Sekunde lang kam ihm dieser ganze Ritus unglaublich dumm vor. Doch genauso schnell war

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