Jäger der Nacht
fluchtartig Bruces Haus verlassen hatte, kamen Kevin lang und trostlos vor. Er mußte sich dazu zwingen, jeden Morgen beim Klingeln des Weckers aufzustehen, und als es schließlich Donnerstagnacht war, hatte Kevin das Gefühl, daß die Zeit einfach stehengeblieben war und daß er zu lebenslänglicher, düsterer Nutzund Wertlosigkeit verurteilt war.
An diesem Donnerstagabend, als er im Bett lag und einzuschlafen versuchte, konnte er hören, wie sich Jake und Millie im Schlafzimmer unterhalb der Dachkammer stritten. Er bemühte sich, ihre Stimmen aus seinen Gedanken zu verbannen und sich der Erinnerung an Bruce hinzugeben, einer Erinnerung, die immer entfernter und verklärter wurde.
Seit er Bruce verlassen hatte, hatte er keinen Orgasmus mehr gehabt, und der Schmerz voll Trübsinn und Einsamkeit in seinen Lenden wurde immer schlimmer. Unter der Bettdecke ließ er seine Hand nach unten gleiten und begann, an seinem Glied herumzuspielen; er stellte sich vor, es wäre Bruces Hand, es wären Bruces Lippen. Sein Glied versteifte sich.
Aber er konnte immer noch die Stimmen von unten hören – Millies meckernde Stimme, die immer schriller wurde, während von Jake nur kurze Grunzer zu vernehmen waren, wütend wie ein Tier. Sie hatten sich mal wieder in der Wolle, und Kevin hatte die Nase davon voll, es auch nur mitanhören zu müssen.
Er versuchte, sich voll und ganz auf die langsame Bewegung und den Druck seiner Hand an seinem Glied zu konzentrieren, als plötzlich das Bett quietschte. Er warf einen raschen Blick durch die Dachkammer zu Dennis’ Bett. Er konnte weder ein Geräusch noch eine Bewegung entdecken. Er dachte sich, daß Dennis schlief. Und glücklicherweise weit weg. Sie hatten kaum miteinander gesprochen. Was immer für eine Beziehung sich zwischen den Brüdern hätte entwickeln können, das wußte Kevin jetzt, es würde nicht dazu kommen. Das Beste, was er für Dennis tun konnte, war, ihm keine zu schmieren, und Dennis hatte alles daran gesetzt, Kevin nicht in die Quere zu kommen.
Kevin hatte das Gefühl, ganz allein im Haus zu sein.
Mit festem Griff bewegte sich seine Hand immer schneller an seinem Glied auf und ab, und er fühlte ein unwillkürliches Zucken in seinem Becken.
Im unteren Stockwerk schwoll Millies Stimme zu einem Kreischen an, gefolgt von einem lauten Poltern auf der Treppe zum Erdgeschoß.
Schweigen.
Kevin, immer noch keuchend von seinem Orgasmus, sprang aus dem Bett und eilte zum Treppenabsatz des Dachbodens. «Was ist da los?»
Ein Grunzer von Jake. Dann ein leises, entferntes Stöhnen.
Kevin raste die Treppen runter, vorbei an Jake, der schwankend am Absatz zum ersten Stock stand, und weiter runter zum Erdgeschoß, wo er Millie am Fuß der Treppe zusammengekrümmt vorfand – ihre Beine verdreht auf den letzten Stufen, ihr Kopf und Oberkörper auf dem Fußboden. Ihr Mund war weit offen, und sie blutete aus einer Wunde auf der Stirn.
Kevin blickte die Stufen hoch zu Jake. «Was ist passiert?»
«Sie ist gefallen.»
«Komm schon runter und hilf mir, sie wieder auf die Beine zu kriegen.»
Als Jake mit schwerfälligen Schritten die Treppe runterkam, wandte sich Kevin wieder Millie zu. «Hallo, Mutti, alles in Ordnung?»
Ein Auge öffnete sich, der Blick war verschwommen. Sie murmelte etwas. «Gottverdammter Schwanzlutscher.» Sie spuckte aus, und die Spucke fiel auf ihre Wange zurück, wo sie zusammen mit dem Blut in ihre strähnigen Haare sickerte.
Jake stand neben dem knienden Kevin. «Wir sollten sie besser nach oben ins Bett bringen.»
Kevin sah zu Jake auf. «Hast du sie gestoßen?»
Jake schüttelte seinen Kopf. «Sie ist gefallen.» Seine Augen wurden feucht. «Du hast sie ja schon in so ‘nem Zustand gesehen.» Kevin glaubte ihm. «Sollten wir sie nicht lieber ins Krankenhaus bringen?»
Jake zuckte mit den Achseln. «Sie ist betrunken. Wenn Leute betrunken sind, passiert ihnen nichts.»
Sie versuchten, Millie die Treppe rauf zu bekommen, aber sie entglitt immer wieder ihrem Griff und rutschte auf den Fußboden, schlaff wie eine Stoffpuppe. Schließlich schleppten sie sie in das Wohnzimmer und legten sie auf die Couch.
Sie standen nebeneinander und sahen auf Millie hinab. Jake sagte: «Gib ihr ‘n paar Stunden. Sie wird wieder auf dem Damm sein.» Und mit hängenden Schultern stampfte er die Treppen hoch ins Bett.
Kevin ging in die Küche und kehrte mit ein paar Papierservietten zurück. Er wischte ihr die Spucke und das Blut aus dem Gesicht, ordnete ihre
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