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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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Geschichte des Westens, und er saß unter seinen Klassenkameraden und hütete es wie einen Schatz. Aber er fragte sich, wo sein
    «Westen» sein würde. Von dem, was er im Fernsehen gesehen hatte, war es ganz bestimmt nicht Kalifornien! Da passierte anscheinend nichts anderes, als daß Bullen in ihren Autos herumrasten und jeden zusammenschlugen. Vielleicht war es das, was Mr. Graham mit «einer im Grundsatz puritanischen Gesellschaft» gemeint hatte. Wenn es tatsächlich so war, dann erstreckte sie sich über das ganze verdammte Land!
     
    Als Kevin an jenem Nachmittag aus der Schule kam, begann er, durch die Houghton Street Richtung Burkett Street zu gehen, aber nach etwa einem Block verlangsamte er seine Schritte. Er dachte daran, daß er es jetzt nicht verkraften könnte, zu diesem Wrack von Mutter zurückzukehren. Für einen Moment hoffte er, daß man sie ins Krankenhaus gebracht hätte, doch dann schämte er sich für diesen Gedanken. Aber er wollte nicht nach Hause gehen... jedenfalls nicht jetzt.
    Er kehrte um und ging in Richtung Lennys Haus, um sich über Planwagen... einsame Inseln... unendliche Kolonien... alles Mögliche zu unterhalten. Und wenn seine Mutter nicht da wäre, könnten sie vielleicht sogar Sex machen. Aber er war sich nicht sicher, ob er das wollte. Nach dem Sex mit Bruce kam ihm Lenny gar nicht mehr so aufregend vor. Da gab es etwas Rätselhaftes an Bruce, das Lenny nicht hatte. Dennoch, Lenny war sein Freund. Wenn Lenny es wollte... in Ordnung. Er wollte Lenny als Freund behalten.
    Er ging die Vortreppe rauf und drückte den Klingelknopf zu Lennys Wohnung. Kurz darauf hörte er das Surren des Türöffners und stieg die Treppen zu Lennys Tür rauf. Eine Frau stand in der Tür. Sie war gedrungen und massig, mit einem kämpferischen Kinn und bösartig aussehenden blauen Augen.
    «Ist Lenny da?»
    Die Augen wurden bösartiger. «Biste einer von Lennys Freunden?»
    «Ja.»
    «Komm rein, junger Mann.» Ihre Stimme klang rauh. «Ich möchte mit dir reden.»
    Kevin zögerte. Er hatte das Gefühl, auf eine niedrige Brücke zuzusteuern. Aber wenn Lenny Ärger hatte, konnte er ihm vielleicht helfen. Er ging ins Wohnzimmer. Das Bild mit dem Jesus an der Wand blinzelte ihm zu.
    «Setz dich», befahl sie.
    Kevin setzte sich auf die altmodische Couch. «Sind Sie Lennys Mutter?»
    «Ganz richtig, junger Mann. Ich bin Mrs. Jenkins.»
    Kevin wunderte sich, wie ein liebenswürdiger, lockerer Junge wie Lenny so eine Mutter haben konnte. Sie bewegte sich wie ein Lastwagen. Ein kleiner Lastwagen. Nun stand sie direkt vor ihm, die Hände in den Hüften. Er bemerkte, daß sie an einer Kette um den Hals ein Kreuz trug.
    Wieder diese Stimme: «Bist du einer von diesen Jungs, die meinen Lenny verderben?»
    Kevin blinzelte, genauso wie der Jesus. «Verderben?»
    «Du weißt genau, was ich meine! All dies schmutzige Zeug im Schlafzimmer.»
    Kevin bemühte sich, verwirrt auszusehen. «Wäsche?»
    Mrs. Jenkins Gesicht wurde rot vor Zorn. «Keine Wäsche! Das schmutzige Zeug, das ihr macht, wenn ihr ausgezogen seid!»
    «Schlafen?»
    «DU WEISST GENAU, WAS ICH MEINE! Soll ich es vielleicht aussprechen und mir den Mund damit dreckig machen?»
    Kevin sah sich um. «Wo ist Lenny jetzt?»
    «Oho, das möchtest du wohl gern wissen, nicht wahr?» Sie ging im Zimmer auf und ab. «Damit du wieder Hand an ihn legen kannst. Ihn in die Abgründe der Sünde hinunterziehen, ihn in die Verdammnis locken, ja, ins Fegefeuer!» Sie erhob einen zitternden Finger. «Und es passierte direkt da drin. Direkt im Schlafzimmer dieses heiligen Hauses. Ich hab’ sie erwischt. Nackt wie am Tag ihrer Geburt, und was sie getan haben... Jesus, Maria und Josef! Als ich es Pfarrer Mooney erzählt habe – und du kannst gewiß sein, daß ich ihm alles erzählt habe –, dachte ich, der arme Mann würde darüber direkt ins Grab fahren, daß so etwas mit meinem armen, kleinen Lenny geschah, verdorben von irgend so einem dreckigen Jungen!»
    Kevin vermochte kaum zu glauben, was er hörte. War ihr «armer, kleiner Lenny» der Junge, von dem er wußte, daß er es wie ein Karnickel trieb, seit er zwölf war? Hatte sie das nicht gemerkt? Nun, sie wußte es jetzt, und es gab nichts, um die Frau aufzuhalten.
    «Oh, er war mir ein Felsen, dieser Pfarrer Mooney. Er, der er für Lennys unsterbliche Seele betete und dann den Familienrichter anrief, um Lenny fortzuschicken von all diesen bösen... schmutzigen Jungs.»
    «Fortzuschicken?»
    «Ja, fortzuschicken!»

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