Jäger der Schatten
sagte Jack. Er erklärte Skyler, dass eine einfühlsame, weibliche Person mehr Erfolg haben würde, ein junges Mädchen dazu zu überreden, ihr Versteck zu verlassen.
Skyler schloss die Augen und tauchte in die Dunkelheit ein. Sie konzentrierte sich auf das Gesicht von dem Foto.
Mari-Elena, wo bist du?
Als Skyler die Augen öffnete, stand sie im Zwielicht der Gedankenwelt. Sie konnte sowohl Jacks Gegenwart als auch die Gedanken der Männer spüren, die nach dem Mädchen suchten. Es war schummrig um sie herum, als würde ein grauer Nebel alles verschleiern.
Mari-Elena, ich bin eine Freundin. Zeige dich. Du bist bei mir in Sicherheit. Sag mir, wo du bist. Deine Familie sucht nach dir.
Keine Antwort.
Skyler wartete, doch es war, als würde sie in einen bodenlosen Schacht rufen. Sie spürte, wie sich ihr Bewusstsein erweiterte, doch es gab nichts, was Widerstand leistet e – kein Zeichen, dass sie die richtige Seele gefunden hatte. Sie tauchte wieder aus der Gedankenwelt auf.
»Nichts?«, fragte Jack.
»Rein gar nichts.« Skyler runzelte die Stirn. »Es ist, als ob sie nicht hier wär e … nicht einmal in der Gedankenwelt. Als würde sie sich nicht verstecken. Eher al s … als würde sie gar nicht existieren.«
Sie schluckte ihre Enttäuschung hinunter. Ghedis Warnung hatte sie verunsichert. Wovor hatte der Torhüter solche Angst? Warum war es besser für alle, wenn sie das Mädchen nicht fanden? Was hatte er gemeint?
Mehr als alles andere wollte Skyler Mari-Elena sicher nach Hause holen. Sie fühlte eine Verbindung zu dem jungen Mädchen. War sie nicht selbst fünfzehn Jahre alt gewesen, als sich ihr Leben komplett verändert hatte? Sie konnte verstehen, dass sich Mari-Elena in den Fremden verliebt hatte, dass sie voller Neugierde auf die Welt und abenteuerlustig gewesen war, und wie schrecklich es für sie sein musste, dass diese Neugierde so furchtbar erschüttert wurde.
Ich bin hier! Hilf mir! Hilf mir!
»Oh Gott!«, sagte Skyler. »Ich habe sie gerade gehört.«
Hilf mir. Hilfe. Töten. Hilfe. Sterben. Hilfe. Feuer. Hilfe. Hölle. Hilfe.
Die Gedanken des Mädchens waren eine zusammenhanglose und verängstigte Bitte, ein Selbstgespräch in größter Verzweiflung.
Skylers Knie gaben nach und Jack fing sie auf.
Du bist außer Gefahr, du bist außer Gefahr, du bist jetzt außer Gefahr. Zeig mir bitte, wo du bist. Wir werden dich finden und dich in Sicherheit bringen , sandte Skyler und versuchte, der erschütterten Seele ein wenig Trost zu spenden.
Hilf mir. Hilf mir. Hilf mir. Töten. Sterben. Hilfe. Feuer. Hölle. Hilfe.
Skyler zuckte zusammen und war wieder in der Wirklichkeit.
»Hast du sie gefunden?«, fragte Jack. Er hielt sie noch immer ganz fest.
»Ja, ich weiß jetzt, wo sie ist.« Skyler nahm das Walkie-Talkie und beschrieb den anderen, was sie gesehen hatte. Eine dunkle Höhle neben einem ausgetrockneten Flussbett, ein klaffendes, mit Moos bedecktes Loch im Boden.
Am anderen Ende des Walkie-Talkies schrie Ghedi erschrocken auf.
»Was ist los?«, fragte Skyler. »Wo ist sie?«
»Die Höhle am trockenen Fluss. Sie wird Höllenschlund genannt«, sagte er. In seiner Stimme schwang Panik mit. »Sie liegt ein paar Meilen außerhalb von Florenz. Ich werde euch dort treffen.«
Jetzt verstand Skyler Ghedis Reaktion. Wahrscheinlich hatte der Priester deshalb solche Angst gehabt.
»Sie haben sie zum Tor gebracht«, sagte sie zu Jack. »Komm, uns bleibt nicht viel Zeit.«
11
Höllenschlund
G hedi gab ihnen eine genaue Wegbeschreibung und Jack und Skyler brachen sofort auf. Die Velox -Geschwindigkeit brachte sie blitzschnell an ihr Ziel.
Wenn sie das Mädchen zum Tor gebracht haben, können sie keine Schmuggler sein, überlegte Skyler. Aber wenn sie keine Schmuggler waren, wer waren sie dann? Was wollten sie von dem Mädchen? War es das, worüber sich der Priester solche Sorgen machte? Was Ghedi ihnen nicht erzählen wollte, bis sie in »Sicherheit« waren?
Sie fanden das ausgetrocknete Flussbett, einen scharlachroten sandigen Graben aus verbrannter Erde, der tief in die Höhle hineinführte. Wie Skyler es beschrieben hatte, war die Höhle mit Moos bedeckt und halb in der Erde versunken.
Jack trat das Gebüsch nieder, das den Eingang versperrte, und führte sie hinab. Er hob einen Ast auf und ließ an der Spitze eine blaue Flamme aufleuchten.
»Zeigt euch!«, rief er. Seine Stimme hallte von den Steinwänden wider.
Die Höhle war dunkel und roch nach Schimmel. War das der Eingang zum Tor
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