Jäger der Schatten
Vater, seine Brüder und Onkel waren auf der Suche nach Mari-Elena, seiner Schwester, die letzte Nacht von Schmugglern entführt worden wa r – eine Gefahr, die in diesem Teil der Welt nicht unbekannt war. Er zeigte Skyler das Foto eines hübschen, dunkelhaarigen Mädchens mit dichten Augenbrauen und einem schüchternen Lächeln. Es war fünfzehn Jahre alt.
»Meistens holen sie sich Mädchen aus kleinen Dörfern im Osten Europas, doch inzwischen sind sie noch dreister geworden. Sie dringen in unseren Teil der Welt ein. Das Leben ist hier nicht besonders schwierig, wie ihr sehen könnt«, sagte er und deutete auf die grüne italienische Landschaft. »Aber es ist langweilig, es ist immer gleich, es fehlt an Abwechslung.
Mari-Elena traf ihn in einem Internetcafé. Er war Russe, aber er erzählte ihr, dass er in Amerika zur Schule gehe. Sie nannte ihn ihren Freund. Die beiden sind letzte Nacht durchgebrannt, aber wir glauben nicht, dass sie heiraten wollen.« Er zeigte ihnen sein Handy. »Das habe ich vor ein paar Stunden erhalten.« Es war eine Textnachricht von Mari-Elena. Aiuto stand dor t – das italienische Wort für Hilfe .
»Es tut uns sehr leid, was deiner Schwester passiert ist. Aber warum geht ihr nicht zur Polizei?«, fragte Jack.
»Weil sie von den Schmugglern geschmiert wir d – wie überall«, erklärte Luca. »Aber wir glauben, sie sind noch nicht sehr weit gekommen, denn sie haben nicht die Straßen benutzt. Deshalb müssen sie hier irgendwo in den Bergen sein. Höchstwahrscheinlich steuern sie Levanto an. Dort liegt der Frachter der Schmuggler vor Anker.«
»Was geschieht mir ihr, wenn ihr sie nicht findet?«, fragte Skyler, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
Luca runzelte die Stirn. »Das Gleiche, was mit all diesen Mädchen passiert. Sie würde mitgenommen und verkauft werden. Wir würden sie nie wiedersehen.«
10
Versteckt
S kyler führte die Gruppe zurück zu ihrem Lagerplatz, wo sie Ghedi antrafen, der schon mit gepackten Rucksäcken auf sie wartete. Als er von der Entführung des Mädchens hörte, wurde er sehr aufgeregt. Er nahm Skyler zur Seite, während Jack die Männer in Suchtrupps aufteilte.
»Diese Entführun g – ich muss dir etwas darüber erzählen. Mari-Elena ist nur das letzte von vielen Opfern, die sie geholt haben«, sagte er und begann, das Gepäck im Gebüsch zu verstecken.
»Ja, das haben sie uns erzählt. In dieser Region wurden mehrere Mädchen als vermisst gemeldet«, antwortete Skyler und half dabei, Steine auf ihre zusammengefalteten Zelte zu verteilen. Sie würden später hierher zurückkommen.
»Das ist nicht alles.« Ghedi sah entmutigt aus. »Wir können hier nicht darüber sprechen. Das ist zu unsicher. Aber ich muss dir noch etwas sagen.«
»Ja?«
Ghedi sah auf seine Uhr. »Sie wurde letzte Nacht geholt. Das ist zu lange her. Das ist schon viel zu lange her. Sie hätten sofort zum Kloster gehen sollen, gleich nachdem es passiert war. Die anderen könnten sie sonst zuerst finde n …« Er schüttelte den Kopf. »Stattdessen haben sie sich selbst auf die Suche gemacht und damit ihr Schicksal besiegelt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Skyler. »Was auch immer ihr passiert ist, wir müssen versuchen, sie zu finden. Wir müssen es versuchen und sie retten.«
Der junge Priester schüttelte erneut den Kopf. Er wollte nicht mehr sagen und versprach Skyler, ihr alles zu erklären, sobald sie das Kloster erreicht hatten. Jack hatte die Gruppe in zwei Hälften aufgeteilt. Die eine Hälfte würde weiter durch die Berge ziehen, die andere Hälfte sollte sich auf den Weg zum Hafen machen. Ghedi begleitete die zweite Gruppe. Er war vertraut mit der Arbeit am Hafen und würde herausbekommen, wer illegal Menschenhandel betrieb. Skyler und Jack würden einen anderen Weg einschlagen und mit dem Rest über ein Walkie-Talkie in Kontakt bleiben, das sie sich von Luca geborgt hatten.
Als die Teams losgegangen waren, erzählte Skyler Jack, was Ghedi zu ihr gesagt hatte. Jack stimmte ihr zu, dass sie das Mädchen nicht im Stich lassen durften, ganz gleich, welche Bedenken Ghedi hegte. Als vereidigter Venator stand Jack nicht nur im Dienst des Ältestenrats, sondern musste auch die Unschuldigen beschütze n – egal ob Vampir oder Mensch. Er schlug vor, keine Zeit mit einem Fußmarsch zu vergeuden. Es gab einen viel schnelleren Weg, das Mädchen ausfindig zu machen: die Gedankenkontrolle.
»Es ist besser, wenn du es machst. Vor dir wird sie sich nicht verstecken«,
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